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Hinter den Kulissen wird verhandelt

Paul-Gerhardt-Kirche seit sechs Wochen besetzt - Kurz vor der Einigung?

Von Gerhard Hülsegge
Bielefeld (WB). Die Besetzung der Paul-Gerhardt-Kirche könnte eher beendet sein als vermutet. Vielleicht schon in den nächsten 14 Tagen. Geben sich beide Seiten nach außen hin auch seit mehr als sechs Wochen unversöhnlich, wird dennoch seit Tagen inoffiziell intensiv verhandelt.

Bärbel Hensdiek von der Pressestelle der Evangelischen Kirche von Westfalen bestätigte gestern auf Anfrage, dass »Gespräche laufen«. Auch Superintendentin Regine Burg ließ auf Nachfrage nicht dementieren. Nach WESTFALEN-BLATT-Informationen standen die Kontrahenten sogar bereits kurz vor einer Einigung.
»Theoretisch ist es jederzeit möglich, dass wir uns einigen«, erklärte Hermann E. Geller, Sprecher der Bürgerinitiative, die das Gotteshaus an der Detmolder Straße seit 25. März besetzt hält, um den Verkauf der Kirche zu verhindern. Die Besetzung werde sofort aufgehoben, wenn der Evangelische Kirchenkreis Bielefeld und die Neustädter Marien-Kirchengemeinde den Vertretern von Paul-Gerhardt die Verwaltung des Gebäudes bis zum Ende des Rechtsstreits um die Fusion der beiden Gemeinden überlasse.
Die Besetzer halten die Fusion von Paul-Gerhardt mit Neustadt-Marien von 2005 für nichtig, weil keine Anhörung der Gemeindeglieder durch die Landeskirche erfolgt ist. Sie berufen sich dabei auf die Kirchenordnung von 1950, die ein solches Verfahren bei Aufgabe einer Kirche vorschreibt. Folgt die Verwaltungskammer der Landeskirche (sie hatte sich in einem ersten Widerspruchs-Verfahren für nicht zuständig erklärt) dieser Einschätzung nicht, soll die Revisionskammer der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Sitz in Hannover entscheiden.
Das gesamte Verfahren könnte sich zirka ein halbes Jahr hinziehen. Bekämen die Besetzer dann kein Recht, würden sie sich laut Geller einem Verkauf der Kirche nicht länger widersetzen. Bis dahin möchten sie das Gebäude allerdings weiter nutzen.
Der Justiziar der Landeskirche, Dr. Arne Kupke, hatte in einem Interview mit der evangelischen Wochenzeitung »Unsere Kirche« die Aufrechterhaltung der Anzeigen gegen fünf Kirchen-Besetzer damit gerechtfertigt, der Eigentümer würde ansonsten einen Teil seines Eigentumsrechts verlieren.
Dem widersprach der Pressedezernent der Staatsanwaltschaft Münster, die den Fall bearbeitet, gegenüber dem WESTFALEN-BLATT. »Berührt werden nur Besitz-, aber keine Eigentumsrechte«, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer. Gleichzeitig bestätigte er, dass die (in diesem Fall erzwungene) Abtretung des Hausrechts einen Verkauf der Kirche etwa an die Jüdische Kultusgemeinde natürlich erschweren. Das von der Abteilung für politische Straftaten eingeleitete Ermittlungsverfahren sei frühestens in vier Wochen abgeschlossen.
Interessant in diesem Zusammenhang: Zöge die Kirche ihre Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs doch zurück, so würde wegen versuchter Nötigung trotzdem weiter ermittelt. »Schließlich handelt es sich dabei um ein Offizialdelikt«, betonte Schweer.
Die Kirchenbesetzer machen der Gemeinde Neustadt-Marien das Hausrecht streitig, weil sie die Fusion für mangelhaft erachten. 80 Gläubige feierten am vergangenen Sonntag erneut einen Gottesdienst im offiziell entwidmeten Paul-Gerhardt-Zentrum. Das Fernsehen (WDR III) widmete dem Kirchenstreit am Wochenende 30 Minuten in der Sendereihe »Tag 7«. Die Sendung wird heute, 11.45 Uhr, wiederholt.
Die von Sozialpfarrer Udo Halama initiierte Unterschriftenaktion gegen die Kirchenbesetzung (wir berichteten am Montag) bezeichnete Geller als »billige Stimmungsmache«.
Sollten die Gespräche hinter den Kulissen zum Erfolg führen, wäre auch der 66-jährige Ex-Kirchmeister der Paul-Gerhardt-Gemeinde hierüber mehr als erfreut. Der Besetzer: »Wir wollen das hier ja nicht drei bis vier Jahre durchziehen!«

Artikel vom 09.05.2007