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Ronald Pofalla

»Wenn Familie nichts mehr mit
Eltern zu tun hat, wird sie zur Wohngemeinschaft degradiert.«

Leitartikel
CDU-Grundsatzprogramm

Klare Sätze nach langem Ringen


Von Reinhard Brockmann
Die Union geht voran. Sie hat gestern ihren Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm vorgestellt. Die SPD arbeitet gleichfalls an der Fortschreibung ihrer Grundlinien, will sich aber noch etwas Zeit lassen. Auch die FDP wird in Kürze beim Bundesparteitag das Publikum mit ihrer sozialen Seite zu überraschen versuchen.
Besonders die großen Volksparteien brauchen die Programmarbeit. Hier kann CDU pur und SPD in Reinkultur niedergeschrieben sowie politisch ausgelebt werden. Gerade unter den Zwängen der großen Koalition und passend zur gegenwärtig sinkenden Reizschwelle kommen die nur auf den allerersten Blick grundlangweiligen Bekenntnisse gerade recht.
Grundsatzprogramme lassen sich nicht an der Elle der Aktualität messen. Im Gegenteil, Grundwerte und lange Linien sind gefragt. Gerade deshalb bekennt sich die CDU zum christlichen Menschenbild. Der Dreisatz aus Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit bleibt erhalten. Bei der SPD klingt das demnächst übrigens ähnlich.
Dennoch werden politische Feinschmecker zuhauf Formulieren finden, über die sich trefflich zu streiten lohnt. Das ist sogar gut so. Nehmen wir: »Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung übernehmen«. Oder: »Die Ehe bleibt Leitbild der Gemeinschaft von Mann und Frau«. Interessant wird es bei den Konsequenzen, die fürs erste gar keine sind. Das Ehegattensplitting soll zum Familiensplitting erweitert werden, heißt es - wohlwissend, dass dies mit der SPD nicht zu machen ist. So steht es im Koalitionsvertrag.
Neu, aber gleichfalls ohne Auswirkungen ist die Feststellung: Homosexuelle Partnerschaften seien Beziehungen, in denen Grundwerte gelebt werden. Das zeugt von vermeintlicher Modernität. Allerdings: Die CDU lehnt die Gleichstellung mit der Ehe von Mann und Frau und Adoptionsrechte für Homosexuelle ab.
Niemand täusche sich. Hinter überraschend klaren Hauptsätzen verbirgt sich langes internes Ringen. Und darum geht es.
Außerdem: Alte Wahlkampfschlager werden schon für die nächste Kampagne fit gemacht: So bleibt es bei »solidarischen Prämienelementen« in der Kranken- und Pflegeversicherung. Und die Rüttgers-Idee wird auch ins Boot geholt: In der Arbeitslosenversicherung soll die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes an die Dauer der Beitragszahlung gekoppelt werden.
Damit ist klar, dass die angeblich so neoliberale Linie vom Leipziger Parteitag 2003 (was eine absolute Übertreibung ist), wieder aufs gesunde Mittelmaß aus »sozial« und »Marktwirtschaft« zurückgeführt wird. Allerdings: Merkels »neue« soziale Marktwirtschaft hat tatsächlich ausgedient.
Die Kanzlerin selbst jedoch nicht. Die Beschäftigung möglichst vieler Parteifreunde mit der Programmarbeit hält ihr den Rücken frei im Alltagsgeschäft. Jetzt fehlt nur noch das SPD-Papier, damit sich im Grundsatz streiten und tagespolitisch regieren lässt.

Artikel vom 09.05.2007