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Azubis fit für Europa machen

Berufsbildung bei Nachbarn erleben

Von Reinhard Brockmann
Detmold (WB). Zuerst glaubte Bernd Lehmann, seine Auszubildende wollte bezahlten Urlaub. Doch als Sabrina Hagemeier vom Praktikum in Polen nach Hiddenhausen zurückkehrte, war schlagartig klar: »Sie hatte da phänomenal viel gelernt.«

Ob Tischler in Norwegen, Einzelhändlerin in Klagenfurt oder im italienischen Bergamo: Auch Paul Lingemann, Nancy Roloff und Mike Moroncini haben Auslandsbetriebe drei Wochen von innen kennengelernt. Ihr Berufskolleg und die EU-Geschäftsstelle Wirtschaft und Berufsbildung bei der Bezirksregierung in Detmold gaben Starthilfe. »Frei schwimmen muss man sich aber alleine«, berichtete die angehende Kauffrau Kristina Kerker vom Auslandseinsatz bei Ikea-London. Nach zwei Tagen war der Knoten geplatzt, wurde gesprochen, was das Schulenglisch hergab. Fachbegriffe fehlten selbst dem aus Kirgisien stammenden Daniel Gärtner in Moskau. Aber schon nach wenigen Tagen schulte er Verkäufer im Umgang mit hochwertigen Kinderwagen aus Ostwestfalen. Deutsch, Russisch, selbst ein paar Brocken Polnisch wurden strapaziert. Am Ende funkten Gast und Gastgeber auf einer Welle. Von morgens neun bis zum späten Abend im Betrieb zu stehen, selbst sonntags zuzufassen, wenn die Lastwagen aus Deutschland zu spät sind, soetwas verbindet - über die Lehre hinaus.
Marco Moroncini wurde trotz sizilianischer Wurzeln in Norditalien erst kaum verstanden, zu unterschiedlich sind die Dialekte. Auf den Schock folgte Begeisterung. Nach der Ausbildung will er wieder »runter«, wie Mike beim Erfahrungsaustausch mit Azubis und Lehrern in Detmold berichtete. Den Aufstieg zum Marktleiter - doppelt so schnell wie in Deutschland - hat er fest im Visier.
Jungtischler Lingemann hätte der Gastgeber-Betrieb am liebsten gleich dabehalten. Allerdings wird Paul daheim in Dringenberg im elterlichen Betrieb gebraucht.
»Fit für Europa« lautet das Programm, das sich an alle Auszubildenden in Ostwestfalen-Lippe richtet. Verbindungslehrer in den Kollegs, aber auch die Geschäftsstelle in Detmold informieren.
Das erste Interesse ist oft groß, wirklich auf die Reise gehen am Ende wenige. Das soll nicht so bleiben. Michael Uhlich, Abteilungsleiter Schule, verweist auf einen ganze Palette von Förderprogrammen, von deren abenteuerlichen Abkürzungen man sich nicht abschrecken lassen sollte. »Die praktischen Erfahrungen der Auszubildenden in der Nutzung dieser Förderprogramme spiegeln ihre Bedeutung sehr viel lebendiger wider«, nimmt Uhlich Schwellenängste.
www.eu-gwb.brdt.nrw.de

Artikel vom 09.05.2007