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Hilferuf aus Pflegeheimen:
»Menschen verzweifelt«

Angehörige fordern eigene Beiräte - Politik alarmiert

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Angehörigenbeiräte sollen - neben dem Heimbeirat - in Alten- und Pflegeheimen mehr Rechte bekommen. Das haben Betroffene in einer Petition an den Düsseldorfer Landtag gestern in Bielefeld gefordert.

»Die Menschen sind verzweifelt«, erklärte Ilse Westenfelder. »In vielen Häusern klappt die Medikamentenausgabe nicht, fehlt es an Ansprechpartnern«, betont Wolf-Friedrich von Dallwitz. »Und die Mitarbeiter schweigen aus Angst um ihren Arbeitsplatz«, ergänzt Antje Krämer. Gemeinsam mit Karin Bracht-Müller, Martin Brinkmann, Elke Röver und Margarete Winde übermittelten sie deshalb im Rathaus ihre Forderungen an den Petitionsausschuss zwei Bielefelder Landtagsabgeordneten: Günter Garbrecht von der SPD und Rainer Lux von der CDU.
Neben der Aufnahme von Demenzerkrankungen und seelischen Leiden in den Hilfebedarf der drei Pflegestufen sowie einer Transparenz der Heimkosten (insbesondere auch der Ausgaben für Investitionen) fordern sie eine künftig im Gesetz verankerte Auskunftspflicht der Heimaufsicht (Kommune) nicht nur gegenüber den Heim-, sondern auch den Angehörigenbeiräten. Letztere können, müssen derzeit aber nicht eingerichtet werden.
Und das ist die Crux. »Wir haben schnell gemerkt, dass wir nicht gewollt sind, weil wir auf Missstände hingewiesen haben«, meinte von Dallwitz. Dabei sei dieses, in der Regel auf zwei Jahre gewählte Gremium, bestehend aus ehrenamtlichen Mitgliedern, am ehesten in der Lage, die Interessen der Pflegebedürftigen zu vertreten. Da sich der Heimbeirat ausschließlich aus Pflegebedürftigen eines Heimes zusammensetzt, kann es vorkommen, dass sogar der Vorsitzende unter Demenz leidet und schon mal vergisst, was den beschlossen wurde.
»Man sieht die Dinge anders, wenn man betroffen ist«, sagte MdL und Ratsherr Rainer Lux, dessen Vater seit Dezember vergangenen Jahres in einem Heim gepflegt wird. Garbrecht, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Düsseldorf, erläuterte, dass bis zur Novellierung des Heimgesetzes 2008 weitere Anhörungen im Landtag zu verschiedenen Detailfragen geplant seien.
Rund 3050 Menschen sind zurzeit in Bielefeld pflegebedürftig und in zirka 30 verschiedenen Einrichtungen untergebracht. Die zumeist schwerst Pflegebedürftigen sind in der Regel älter als 80 Jahre. Ihre jeweilige Verweildauer beträgt weniger als ein Jahr. Die Petitenten möchten die Pflegeeinrichtungen durch ein »Bezugspflege-System« verpflichten, Vertrauenspersonen als ständige Ansprechpartner für ihre Bewohner zu benennen. Besuche der Heimaufsicht sollten grundsätzlich unangemeldet erfolgen, um der Verschleierung von Mängeln vorzubeugen.
Mittwoch, 16. Mai, tagt der Bielefelder Seniorenrat im Nowgorod-Raum des Alten Rathauses. Dort ist der jüngste Bericht der Heimaufsicht Thema. Die Sitzung ist öffentlich und beginnt um 9.30 Uhr.

Artikel vom 08.05.2007