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Enkelin kommt
für acht Jahre
ins Gefängnis

Versuchter Mord an Großmutter

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Das Landgericht Detmold hat gestern Abend Modeverkäuferin Dunja F. wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Für die fünf Richter steht fest, dass die 25-Jährige Detmolderin Feuer im Schlafzimmer ihrer Großmutter Lina F. (88) gelegt hat, um die alte Frau zu töten.
Schluchzend verfolgte Dunja F. die vier Verhandlungstage. Foto: Althoff

Dunja F. hatte auch den letzten Verhandlungstag so verbracht wie die drei Prozesstage zuvor: schluchzend, den Kopf zu Boden gesenkt, nie den Versuch unternehmend, sich zu verteidigen. Erst als der Vorsitzende Richter Michael Reineke ihr die Möglichkeit zum letzten Wort gab, brach die 25-Jährige ihr Schweigen. »Es tut mir leid, dass ich Omas Geld genommen habe! Aber ich habe ihr niemals etwas angetan!«, schluchzte sie.
Weinend hörte Dunja F. anschließend den Urteilsspruch - immerhin zwei Jahre weniger, als Staatsanwalt Christopher Imig gefordert hatte. Reineke sprach von einer »Realitätsferne« der Angeklagten. Der Prozess sei an ihr vorbeigelaufen, sie habe offenbar nicht gemerkt, dass es um ihr Leben und ihre Zukunft geht.
»Es war ein Indizienprozess, und trotzdem haben wir keine Zweifel an der Täterschaft der Angeklagte«, sagte der Vorsitzende Richter. Dunja F. war im Herbst von Verwandten überführt worden, 7100 Euro vom Konto ihrer Oma abgehoben zu haben.
Die 25-Jährige hatte damals behauptet, das Geld mit Billigung der Großmutter genommen zu haben.
Diese Lüge drohte am 23. November aufzufliegen, denn an diesem Tag sollte eine Aussprache mit der Großmutter stattfinden. Staatsanwalt Imig: »Deshalb hat sich die Angeklagte nachts ins Haus geschlichen und im Schlafzimmer Feuer gelegt. Um es krass zu sagen: Die Oma musste aus dem Weg!« Dunja F. sei von einer »inneren Not« getrieben worden, aber diese sei nicht schuldmindernd. »Wir haben es mit einer intelligenten Frau zu tun, die planvoll, akribisch und mit krimineller Energie vorgegangen ist!«
Strafverteidiger Dr. Detlev Binder hatte in seinem halbstündigen Plädoyer versucht, Zweifel zu streuen. Die Kripo sei bereits Stunden nach dem Feuer von der Täterschaft der Enkelin überzeugt gewesen, habe deshalb nur noch oberflächlich ermittelt und nicht nach anderen Verdächtigen gesucht. Möglicherweise habe ja Dunjas Onkel das Feuer gelegt, um den Verdacht anschließend auf die verhasste Nichte zu lenken, meinte Binder, der schließlich einen Freispruch forderte.
Zu Beginn des gestrigen Verhandlungstages hatte das Schwurgericht Amtsgerichtsdirektorin Freya de Vries als Zeugin gehört. Sie hatte Dunja F. am Tag nach dem Feuer den Haftbefehl verkündet. »Die junge Frau weinte die ganze Zeit - aber nicht, weil ihre Großmutter so schwer verletzt war, sondern weil sie in Haft sollte«, erinnerte sich die Richterin. Es habe sie erschreckt, dass die junge Frau sich überhaupt nicht nach der Oma erkundigt habe, zu der sie doch angeblich ein so gutes Verhältnis habe. »Ich habe ihr dann ungefragt gesagt, dass ihre Großmutter schwere Verbrennungen an Gesicht, Händen und Füßen hat und im Koma liegt«, sagte Freya de Vries.
Lina F. ist bis heute ein schwerkranker Pflegefall. Noch kann niemand sagen, ob die 88-jährige Rentnerin jemals in ihre Wohnung zurückkehren kann.

Artikel vom 08.05.2007