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Köhler geht seinen eigenen Weg

Kein Mangel an Ratschlägen vor der Ablehnung des Gnadengesuches

Von Norbert Klaschka
Berlin (dpa). An Ratschlägen hatte Bundespräsident Horst Köhler keinen Mangel, zumal an ungebetenen. Vor allem Politiker der CSU bedrängten Köhler, dem ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar keine Gnade zu erweisen.

Sie verbanden das teilweise gar mit der Drohung, Köhler ansonsten bei einer möglichen Kandidatur für eine zweite Amtszeit die Stimme zu verweigern.
Hatten manche nun erwartet, dass Köhler nach dem massiven Druck erst recht Klar begnadigen könnte, so entschied der Bundespräsident jetzt, von einem Gnadenerweis für Klar abzusehen. Während die Debatte über eine mögliche Begnadigung Klars immer neue Wellen schlug, war das ebenfalls seit geraumer Zeit vorliegende Gnadengesuch Birgit Hogefelds im Verborgenen geblieben.
Klar selbst war es, der mit einem Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar in Berlin die Debatte über sein Gesuch so richtig anheizte. Mit seinem Aufruf, »die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen«, lieferte Klar in verquasten Sätzen, wohl auch in Fehleinschätzung der Folgen, den Begnadigungs-Gegnern eine Steilvorlage.
30 Jahre nach dem »Deutschen Herbst« hatte die Debatte über die Terror-Verbrechen die Republik wieder eingeholt. 1977 zogen die RAF-Terroristen mit zahlreichen Attentaten eine blutige Spur durchs Land. Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto, Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer und andere waren ihre Opfer. Ein Haupttäter: Christian Klar. Ihm wurde die Beteiligung an neun Morden und mehreren Mordversuchen zur Last gelegt. Urteil: mehrfach lebenslänglich.
Noch zur Amtszeit von Köhlers Vorgänger Johannes Rau beantragte Klar ein Gnadengesuch. Rau hielt seinerzeit die Sache für noch nicht entscheidungsreif. Einfluss auf Rau hatte ein Fernsehinterview Klars mit dem Journalisten Günter Gaus 2001. Dabei hinterließ Klar den Eindruck, dass er sich unbeirrt am ideologischen Gerüst der RAF festklammert und jede für ihn schmerzliche Einsicht verweigert. Inzwischen soll sich Klar, so berichtet die Bruchsaler Anstaltsleitung, mit den Verbrechen auseinander gesetzt haben.
Köhler befasste sich ausführlich mit dem Gnadengesuch Klars und versuchte, in zahlreichen Gesprächen ein Bild zu gewinnen. Dies geschah in der Regel im vertraulichen Kreis. Als Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, vor einem Treffen mit Köhler an die Öffentlichkeit trat und die Begnadigung Klars ins Gespräch brachte, wird das dem Präsidenten nicht gefallen haben. Andere - wie Hanns-Eberhard Schleyer, dessen Vater die RAF 1977 ermordet hatte - folgten auch der Einladung Köhlers zum Gespräch, enthielten sich aber in der Öffentlichkeit jeden Kommentars.
Horst Köhlers Vorgänger Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Johannes Rau begnadigten sechs ehemalige RAF-Terroristen. Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) entschied positiv über zwei weitere Gnadengesuche. Entscheidend für Köhler war nun allem Anschein nach das persönliche Treffen mit Klar am vergangenen Freitag. Das war der Schlussstein für seine Entscheidung, auch wenn das Präsidialamt zum Inhalt des Gesprächs nichts verlauten ließ.

Artikel vom 08.05.2007