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Mehr jugendliche Gewalttäter

Studie soll die Ursachen klären - Kriminalstatistik 2006 vorgestellt

Berlin (Reuters). Die Jugendgewalt in Deutschland nimmt entgegen der allgemeinen Kriminalitätsentwicklung zu.Wolfgang Schäuble: mehr Befugnisse für Ermittler.

Der Trend erfülle ihn mit Sorge, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2006 in Berlin. Bei einfachen Körperverletzungen sei die Zahl heranwachsender Tatverdächtiger um 4,6 Prozent gestiegen, bei den jugendlichen Verdächtigen liege die Zunahme bei immerhin 2,7 Prozent.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting nannte als eine Ursache eine höhere Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung. Unsicherste Großstadt bleibt in der Statistik Frankfurt mit knapp 16 400 Straftaten auf 100 000 Einwohner, Berlin liegt auf Platz fünf.
Schäuble kündigte an, die Ursachen der zunehmenden Jugendgewalt solle nun eine Studie klären. Erste Ergebnisse einer Befragung von etwa 50 000 Schülern würden zum Jahresende vorliegen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der SPD-Politiker Körting, warnte davor, es sich bei der Suche nach den Ursachen für die steigende Jugendgewalt zu einfach zu machen. Das Problem dürfe nicht nur auf die soziale Situation der jungen Leute geschoben werden. Auch die Gewöhnung an die Gewaltdarstellungen in den Medien spiele eine Rolle, betonte er.
Insgesamt ging die Zahl der Straftaten 2006 um 1,4 Prozent auf 6,3 Millionen Delikte zurück. Die Aufklärungsquote kletterte auf einen neuen Rekordstand von 55,4 Prozent.
Schäuble verteidigte angesichts dieser Zahlen seinen Kampf um mehr Befugnisse für die Ermittler und speziell das Bundeskriminalamt (BKA). Die Zahl der terroristischen Delikte sei in der Statistik zwar relativ klein, in der Bedrohung aber groß, warnte er. Abgesehen davon müssten die Ermittler mit der technischen Entwicklung Schritt halten können. »Ehe das Telefon erfunden war, mussten sie sich mit der Überwachung von Telefonverkehr nicht beschäftigen«, sagte Schäuble.
Der Minister will dem BKA unter anderem die Möglichkeit geben, Computer heimlich online zu durchsuchen. Einige seiner Sicherheitspläne sind auch beim Koalitionspartner SPD umstritten. Die FDP mahnte angesichts der Entwicklung, es gebe keinen Grund für sicherheitspolitischen Aktionismus.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte, Deutschland sei nicht sicherer geworden. Die Zunahme der Gewaltkriminalität habe nicht gestoppt werden können, wie vor allem die Zahlen bei schweren und gefährlichen Körperverletzungen deutlich machten, erklärte GdP-Chef Konrad Freiberg. Während die vollendeten Fälle von Mord- und Totschlag 2006 um zehn Prozent abnahmen, mehrten sich die Fälle von Körperverletzung. Grundsätzlich hat die Gewaltkriminalität in den vergangenen zehn Jahren massiv zugenommen. Laut der Statistik stieg die Zahl der Gewalttaten seither um knapp 16 Prozent. Gefährliche und schwere Körperverletzung nahmen sogar um 42 Prozent zu.
Einen großen Zuwachs registrierte die Polizei 2006 beim Betrug im Internet. Der Handel im weltweiten Netz biete eine große Angriffsfläche für Betrügereien. Die steigende Zahl der Fälle zeige, dass die Sicherheitsvorkehrungen im Netz nicht ausreichten. Getrickst werde einerseits über das Angebot minderwertiger Ware, andererseits werde bestellte Ware nicht bezahlt oder bezahlte Ware nicht versandt.
Erneut rückläufig waren dagegen Diebstahlsdelikte, die mit 40 Prozent einen Großteil der Straftaten ausmachen. Einen Rückgang verzeichnet die Statistik auch beim sexuellen Missbrauch von Kindern. Die Zahl dieser Taten ging 2006 um neun Prozent auf 13 000 zurück und erreichte den niedrigsten Stand seit 1993. Die Ermittler gehen allerdings weiter von einer großen Dunkelziffer aus.

Artikel vom 09.05.2007