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Haus bauen und
den Papst treffen

Sven Fischer hat frische Pläne

Erfurt (dpa). Erst machte er seiner Freundin Doreen einen Heiratsantrag, dann gab Sven Fischer seinen Rücktritt bekannt.

Der viermalige Biathlon-Olympiasieger hat nach 14 Jahren in der Weltspitze seine Karriere beendet und wird vom kommenden Winter an als Experte beim ZDF arbeiten. »Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Mittlerweile bin ich hundertprozentig sicher, dass es der richtige Zeitpunkt ist, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen«, sagte der 36-jährige Thüringer. Der gläubige Christ will ein Haus bauen und unbedingt den Papst treffen, der am gleichen Tag wie er Geburtstag hat.
Bei der WM 1993 hatte »Mister Zuverlässig« als Mitglied des deutschen Goldquartetts mit seiner Medaillensammlung begonnen. 2006 schloss sich der Kreis, als er sich bei den Winterspielen in Turin im Sprint die ersehnte olympische Einzel-Goldmedaille sicherte. Der bescheidene Athlet gewann bei vier Olympia-Teilnahmen vier Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen. Bei Weltmeisterschaften stand er sieben Mal ganz oben und holte sechs Silber- und sieben Bronzemedaillen. Seit 1993 holte Fischer bei jedem Großereignis mindestens einmal Edelmetall. Dazu kommen 33 Weltcupsiege und 150 Podestplatzierungen. Mehr hat nur der Norweger Ole Einar Björndalen aufzuweisen.
Für Fischers Rücktritt gab es in den vergangenen Monaten Anzeichen. Erstmals waren Mutter Helga und Vater Willy, der auch sein Manager ist, bei den finalen Weltcuprennen in Oslo und Chanty Mansijsk gemeinsam dabei. Noch nie hatte man den stets fairen Fischer so aufgebracht gesehen wie beim letzten Rennen auf dem Holmenkollen, als ihn Björndalen aus der Spur drängte und damit Fischers 34. Weltcupsieg verhinderte. In der norwegischen Hauptstadt hatte der norwegisch sprechende Fischer neun Mal triumphiert und wäre bei seinem letzten Auftritt - was damals nur er wusste - zu gern zum zehnten Mal zur königlichen Audienz gegangen.
Auch in Fischers Vorlieben gab es Änderungen. Noch vor Jahresfrist war die Jagd seine liebste Freizeitbeschäftigung. »Jetzt ist es meine Familie. Ich verbringe jede freie Minute mit meiner Frau und unserer Tochter«, hatte er schon im Herbst gesagt. Vom Rücktritt konnten ihn auch DSV-Sportdirektor Thomas Pfüller und Bundestrainer Frank Ullrich nicht mehr abbringen.
Dabei wäre Fischers Laufbahn ohne Frank Ullrich zu Ende gewesen, ehe sie richtig angefangen hatte. Im Herbst 1990, bei der Vereinigung der deutschen Skiverbände Ost und West, blieb für Fischer nach zahlreichen Verletzungsausfällen keine Kaderstelle. Erst in einem mehrstündigen Gespräch hatte Ullrich ihn mit einer halben Kaderstelle zum Weitermachen überzeugen können. Diesmal hatte der Bundestrainer kein Argument, obwohl er Fischer gern als »Leitwolf« wenigstens noch für ein Jahr im Team gehabt hätte.

Artikel vom 08.05.2007