05.05.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Höchst unklare Massebilanz des vermeintlich ewigen Eises

Alpengletscher schmolzen in 10 000 Jahren schon achtmal total weg

Von Rolf Dressler
Bielefeld (WB). Das öffentliche Diskussionsklima heizt sich gerade auch dann immer wieder mächtig auf, wenn der Grad des Abschmelzens vermeintlich ewigen Eises zum Zankapfel wird.
Das ewige Eis und die sensiblen Polgewässer stehen unter Dauerbeobachtung der Wissenschaft. Dennoch haben Forschungssschiffe und -stationen bislang nur einen Bruchteil der Klimarätsel gelöst.Foto: dpa

Als Fanal dient dabei den Fürrednern der Klimakatastrophen-Theorie seit Monaten jenes Agenturfoto, auf dem ein Eisbär in ei- ner Art Verzweiflungssprung sich von einer dahinschmelzenden (?) arktischen Eisscholle auf eine andere zu retten versucht. Beabsichtigte Gefühlsaufwallungen angesichts dieses (Untergangs-)Bildes trüben freilich den Blick für nüchtern-sachliche Fakten - und für die Tatsache, dass bei weitem nicht alles das, was als angeblich unumstößlich gesicherte Klima-Erkenntnis ausgegeben wird, diesem Anspruch genügt.
Die Mär vom sogenannten »ewigen Eis« hält nämlich einer näheren Überprüfung nicht stand. Schon im Internet kann selbst der Laie problemlos fündig werden. Auch zahlreiche andere seriöse Quellen verschaffen überraschende Einblicke und Erkenntnisse wie beispielsweise diejenigen, die dem Schweizer Geologen Christian Schlüchter von der Universität Bern und dessen vorbildlich recherchierender Forschergruppe zu verdanken sind.
Anhand fossiler Baumstümpfe und der Überreste einstiger Moore haben sie schlüssig nachgewiesen, dass die Gletscher der Alpen allein in den vergangenen 10 000 Jahren nicht weniger als achtmal auf ihre heutige Größe, ja, sogar auf ein noch geringeres Maß zusammengeschmolzen sind und sich danach aufgrund von Klimaschwankungen stets wieder ausgebreitet haben. Zwischen 6000 und 2000 v. Chr. waren sie zeitweilig so weit zerfallen, dass man die Alpen zu jenen Phasen der Erdgeschichte in der Rückschau als praktisch eisfrei bezeichnen kann.
Als Zünglein an der Klimawaage gilt heute unterdessen vor allem auch Grönland. Doch wie tragfähig und verlässlich sind die Urteile, zu denen die Meinungsführer der Klimaforschung gelangen?
Wie steht es um die Massebilanz von Gletschern und Eisschilden?
Stehen die Eisschmelze im Sommer und der Zutrag durch Schnee und Regen im Winter miteinander im Gleichgewicht?
Wo wachsen die Gletscher, die arktischen insbesondere, oder schmelzen sie fast durchweg auf breiter Front ab, wie es viele Klimaforscher anhand von Computer-Modellberechnungen ermittelt haben wollen?
Und wie steht es mit dem Anstieg der Meeresspiegel, der im vorigen Jahrhundert zwischen zehn und zwanzig Zentimeter betragen haben soll - eine übrigens vergleichsweise auffallend große Spanne, wenn man den selbstgesetzten Anspruch der Wissenschaft zum Maßstab nimmt.
Philipp Huybrechts und drei seiner Mitstreiter vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven haben in dem Fachblatt »Sience« (»Wissenschaft«, Band 310, Seite 456 f.) den neuesten Erkenntnisstand über den Zusammenhang zwischen Massebilanz des Eises und dem Meerespiegel-Anstieg aufgezeigt.
Ihr Fazit: Derzeit ließen weder die ozeanographischen und glaziologischen Messungen noch die Computersimulationen bzw. Modellrechnungen eindeutige Rückschlüsse darauf, wie sich die Massebilanz in näherer Zukunft entwickeln könnte und ob Schmelzwasser fortan überhaupt einen Anstieg der Ozeane bewirken werden.
Ja, bisher deuteten alle verfügbaren Modelle sogar darauf hin, dass im kommenden 22. Jahrhundert die Niederschläge gerade auch in der Antarktis zunehmen werden.
Dadurch wiederum würde mehr Süßwasser als bisher im Eis gebunden, was ein Sinken der Meeresspiegel auslösen könnte. Anders Grönland: Dort wird damit gerechnet, dass im Gefolge höherer Durchschnittstemperaturen vor allem in den Küstenregionen weiteres Eis abschmelzen wird, woraufhin der Meeresspegel ansteigen würde.
Im 6. Beitrag: Welche Riesenprobleme der rasant wachsende Welt-Luftverkehr bereitet.

Artikel vom 05.05.2007