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Arbeitnehmer als Gewinner

IG Metall erkämpft Vier vor dem Komma - Signalwirkung für Druckindustrie

Von Angela Schiller
Frankfurt (dpa). Die heftigen Warnstreiks haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Fast eine halbe Million Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie zogen seit Sonntag vor die Werkstore, um für 6,5 Prozent mehr Geld zu demonstrieren. Unter diesem Druck lenkten die Arbeitgeber am Freitag in der Pilot-Verhandlungsrunde in Baden- Württemberg ein.
20 Stunden hart verhandelt: Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser, IG-Metall-Chef Jürgen Peters und sein Vize Berthold Huber (v.l.) stellen sich den Fragen der Journalisten. Foto: Reuters
Das von Gesamtmetall vorgegebene Ziel, unter dem Drei-Prozent-Abschluss des Vorjahres zu bleiben, war angesichts der Kampfbereitschaft der Beschäftigten und der boomenden Metall- Konjunktur nicht zu erreichen. Einen Streik wollten die Unternehmen auf keinen Fall riskieren - so gestanden sie der IG Metall am Ende einer langen Verhandlungsnacht die magische Vier vor dem Komma zu.
Auf den ersten Blick war diese Metall-Tarifrunde eine der einfachsten seit dem Jahr 2000. In den Vorjahren lagen dicke Brocken wie ein gemeinsames Entgelt für Arbeiter und Angestellte (2002), mögliche Abweichungen vom Flächentarif (2004) oder Qualifizierung (2006) auf dem Verhandlungstisch. Diesmal ging es der IG Metall »nur« darum, ein ordentliches Stück vom kalorienreichen Aufschwungs-Kuchen auf die Teller zu bringen.
Denn die Metallbranche brummt wie lange nicht, die Auftragsbücher sind voll, die Kapazitäten ausgelastet. »Wann, wenn nicht jetzt?«, lautete deshalb der Schlachtruf für höhere Löhne. Einige Metaller hielten sogar ein Plus von 6,5 Prozent noch für eher bescheiden. Doch mangels anderer Forderungen fehlte Manövriermasse, die einen Kompromiss erleichtert.
Hatten die Metall-Arbeitgeber zu Beginn der Tarifrunde wegen der Mehrwertsteuererhöhung für 2007 noch eine Abschwächung des Wachstums befürchtet, spielten die immer besseren Wachstumsaussichten der IG Metall in die Hände.
Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser räumte am Ende ein, dass der Vier-Prozent-Abschluss insgesamt »durch den Rückenwind der immer stärker werdenden Konjunktur« beeinflusst wurde. »Das Jahr 2007 ist für die Betriebe überschaubar, Auftragseingänge und Produktion signalisieren weiter eine positive Entwicklung«, sagte Kannegiesser. Zudem stand die Tarifeinigung der chemischen Industrie von 3,6 Prozent mehr Entgelt für 13 Monate plus Zuschlägen von 0,7 eines Monatsentgelts im Raum. Dieser Abschluss lieferte der IG Metall ein Steilvorlage, die Vier fest ins Visier zu nehmen.
Für die Tarifrunden in der Druckindustrie oder im Handel hat der Metall-Abschluss nach Expertenmeinung eine Signalwirkung, auch wenn dies von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt am Freitag umgehend bestritten wurde. »4,1 Prozent sind ein Datum, das für alle anderen eine Orientierung sein wird« sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Reinhard Bispinck. Der Metall-Abschluss setze die von der chemischen Industrie begonnene tarifliche Trendwende fort.
Die Volkswirte der Commerzbank rechnen in diesem Jahr für die Tarifentgelte in der gesamten Wirtschaft mit einem Plus von 1,75 Prozent nach 1,1 Prozent im Vorjahr.

Artikel vom 05.05.2007