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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs

Dr.Dr. Markus Jacobs ist Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist.

Ist Gebet gleich Gebet? Nein, das ist es nicht. Gebet ist zwar immer etwas Kostbares und Achtenswertes. Aber es gibt sehr unterschiedliche Formen des Gebetes. Die geistliche Erfahrung hat das Christentum über die Jahrhunderte gelehrt, die Weisen des Gebetes einordnen zu können. Ziel ist nicht die Bewertung der Beziehung zu Gott. Ziel solcher Einordnungen ist es, Menschen zu helfen, ihre Beziehung zu Gott zu vertiefen.
Aus der Erfahrungen der geistlichen Begleitung von Menschen ist klar, dass es gewissermaßen Stufen des Gebetes gibt. Es lässt sich tatsächlich so etwas wie eine Weiterentwicklung von Menschen in ihrer Beziehung zu Gott beobachten.
Bei eigentlich allen Menschen fängt das Gebet an mit konkreten Bitten: âBitte, lieber Gott, beschütze meine Mama und meinen Papa. Bitte, lieber Gott, mach mein Brüderchen wieder gesund. Bitte, lieber GottÉÕ Solche Reihen von Anliegen ließen sich beliebig verlängern. Die Formulierungen sind kindlich. Aber diese Art zu beten ist nicht auf Kinder beschränkt. Erwachsene können mit anderen Worten, jedoch in der gleichen Art beten. Dann geht es eben um das Bestehen einer Prüfung, um das Finden eines Lebenspartners, dann bewegt die Sorge um die eigenen Kinder auf einer Fahrt oder die Angst um den erkrankten Vater.
Eine Weiterentwicklung des Gebetes ist bei jenen zu beobachten, die nicht nur irgendwelche Bitten haben, sondern auch zu danken vermögen. Denn jetzt ist Gott nicht nur der »Zulieferer« für Dinge, die mir fehlen oder meinem Einfluss entzogen sind. Sondern es wird das, was ich ja schon »habe«, als von Gott verliehen wahrgenommen. Dies ist ein deutlicher Schritt nach vorne. Es gibt im Leben eines jeden Menschen wesentlich mehr Dinge, die alle schon von Gott verliehen sind. Der Blick wendet sich von reiner Mangelorientierung zu einer Reichtumsorientierung. Der Reichtum all dessen, was Gott mir immer schon verliehen hat - und auf das ich trotzdem keinen Anspruch habe - kommt in den Blick.
Die geistliche Begleitung zeigt, dass manche Menschen diesen Schritt von der Ergänzung des Bittens um das Danken nie vollziehen. Aber es geht noch wesentlich weiter.
Wenn Menschen sich religiös weiter entwickeln, beginnen sie nämlich, zunehmend mehr Dinge ihres Alltags mit Gott zu besprechen. Zunächst tragen sie dies in eigene Gebetszeiten hinein, später wird es zu einer Art Zwiegespräch über den ganzen Tag verteilt. Dann sagen sie Gott, dass das anstehende Telefongespräch ihnen Sorgen macht, die frischen Blätter der Bäume schön anzusehen sind, das Lachen der Kinder erfrischt, die müden Glieder im Alter immer mehr schmerzenÉ
Der Unterschied zu den beiden vorhergehenden Weisen des Gebetes ist, dass es nicht mehr auf bestimmte Gelegenheit beschränkt ist, sondern den ganzen Tag zu durchziehen beginnt. Zudem geht es nicht nur um Bitten und Danken, sondern um den dauerhaften inneren Dialog mit dem geliebten Gegenüber.
Es geht jedoch weiter: je mehr ein Mensch dann die Anwesenheit Gottes in seinem Leben entdeckt, desto mehr beginnt er zu staunen. Und dieses Staunen wird zunehmend schweigsamer. Das einfache Anschauen der Gegenwart Gottes und das Staunen über die Größe dessen, was unter seiner Gnade existiert, lässt einfach Worte unnötiger werden. Worte beginnen in manchen Augenblicken zu stören.
Wichtig ist für Menschen, denen ihre Beziehung zu Gott bedeutsam ist, von den Möglichkeiten der Weiterentwicklung zu wissen. Die Stufen sind so angelegt, dass man die erste oder zweite Stufe nicht ablegt, sondern sie werden in die reifende Beziehung zu Gott lebendig integriert. Wer im Übrigen hinter diesen Stufen Ähnlichkeit bemerkt zur reifenden Liebesfähigkeit des Menschen vom Kleinkind bis zur staunenden Liebe, dass es einen geliebten Menschen überhaupt gibt und in dessen Nähe man sein möchte, der hat vermutlich die innere Logik dieser Stufen verstanden.
Wer also bei sich entdeckt, dass fast nur Bitten und Anliegen das Gespräch mit Gott bestimmen, statt dessen der Dank oder gar das Bedenken des ganz Alltäglichen selten eine Rolle spielen und Schweigen er recht nie, sollte diese Begrenztheit wenigstens erkennen. Und vielleicht findet sich ja ein Weg, um aus eigener Kraft oder mit Hilfe von Begleitung voranzukommen.

Artikel vom 05.05.2007