04.05.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Aktionäre pfeifen auf Obermann

Hauptversammlung: Kritik, aber auch Unterstützung für den Telekom-Chef

Köln (dpa). Ungeachtet der Proteste um die Auslagerung von 50 000 Mitarbeitern hält Telekom-Chef René Obermann an seiner Strategie fest. Das Unternehmen sei in eine wettbewerbliche Schieflage geraten und dringend reformbedürftig, sagte er gestern vor 8500 Aktionären auf der Hauptversammlung in Köln. Die Kosten müssten gesenkt werden.
Während sich in Köln die Telekom-Aktionäre zur Hauptversammlung trafen, gingen bundesweit die Streiks weiter. Unser Foto zeigt eine Verdi-Kundgebung vor dem Roten Rathaus in Berlin. Foto: dpa

Belegschaftsaktionäre unterbrachen Obermann während seines Lageberichtes auf der Hauptversammlung mehrfach durch ein gellendes Pfeifkonzert und Buhrufe. Begleitet war das Aktionärstreffen in Köln zudem von bundesweiten Warnstreiks, an denen sich nach Angaben der Gewerkschaft Verdi 15 000 Telekom-Beschäftigte beteiligten.
Nachdem die Verhandlungen zwischen Telekom und Gewerkschaft über den Stellenumbau in der vergangenen Woche ergebnislos abgebrochen worden waren, droht nun der größte Arbeitskonflikt seit der Privatisierung des Unternehmens vor zwölf Jahren. An diesem Freitag soll die Große Tarifkommission die Urabstimmung über Durchführung von Streiks beschließen.
Neben dem Stellenumbau, den die Telekom bereits zum 1. Juli umsetzen möchte, plant Obermann wieder Zukäufe im Ausland, um das Unternehmen auf den Wachstumspfad zurückzuführen: »Allein aus dem Deutschlandgeschäft heraus, werden wir nicht weiter als Konzern wachsen können.«
Nach der Ablehnung eines entsprechenden Tarifangebots für die betroffenen Mitarbeiter durch die Gewerkschaft Verdi will der Telekom-Vorstand T-Service nun im Alleingang gründen. »Zusätzlich werden wir uns jetzt mit einem möglichen Verkauf von Teilen der Servicebereiche an Drittanbieter auseinandersetzten müssen«, warnte Obermann. Das Angebot der Telekom, das eine Lohnkürzung um neun Prozent und eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit um vier Stunden vorsieht, erhält er aufrecht.
Die Fondsgesellschaft DWS stellte sich hinter die Umbaupläne von Obermann. »Hindert man ein Unternehmen daran, mit wettbewerbsfähigen Kosten zu agieren, werden alle verlieren, das Unternehmen und die Beschäftigten«, sagte Fondsmanager Klaus Kaldemorgen. Er kritisierte indes die Akquisitionspläne der Telekom-Führung als »vage« und regte einen Verkauf der Mobilfunktochter T-Mobile USA an, was Obermann umgehend zurückwies.
Der Telekom-Vorstand wird sich am eingeschlagenen Sparkurs durch Gehaltsverzicht beteiligen. Die Mitglieder des Führungsgremiums bekämen ein Monatsgehalt weniger, sagte Obermann.
Bei ihm sind es zwei Monatsgehälter, was in etwa 200 000 Euro entspricht. Der Vorstand sei sich der schwierigen Lage in Bezug auf die Mitarbeiter bewusst und wolle seine Solidarität zum Ausdruck bringen, sagte der Telekom-Chef.
Im ersten Quartal 2007 kündigten laut Angaben aus Konzernkreisen 600 000 Kunden ihren Festnetzanschluss bei der Telekom. 2006 waren es im gesamten Jahr mehr als zwei Millionen. Insgesamt erwirtschaftete der größte europäsche Telekom-Konzern einen Umsatz von 61 Milliarden Euro und einen Konzernüberschuss von 3,2 Milliarden Euro. Die Aktionäre erhalten unverändert eine Dividende von 0,72 Euro. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 04.05.2007