04.05.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst

»Viele betrachten Bewährungsstrafen als Freispruch und prügeln nach dem Urteil weiter.«

Leitartikel
Landespolitik kommt an

Rüttgers' rote
Karte wird
verstanden


Von Reinhard Brockmann
Die Opposition in Nordrhein-Westfalen läuft Sturm, Gewerkschaften beschwören den Weltuntergang, und Bedenkenträger haben Hochkonjunktur: Man könnte meinen, die schwarz-gelbe Regierung Rüttgers/Pinkwart tue zwei Jahre nach ihrem historischen Sieg alles, um 2009 nicht wiedergewählt zu werden.
Reihenweise werden derzeit Wahlversprechen umgesetzt - doch das Echo ist verheerend: Stresstests für Vierjährige, Hochleistungsdruck mit Zwischenprüfung und Zentralabitur, das Ende der Mitbestimmung und jetzt auch noch »Recht und Ordnung« gegen jugendliche Gewalttäter: So und noch weit phantasiereicher lauten die Vorwürfe.
Sollte Elisabeth Noelle-Neumann doch recht behalten, die 1996 in einer Kanzlerrunde warnte: Wer verändert, wird abgewählt?
Weit gefehlt: Beim geneigten Publikum, dem ganz normalen Nordrhein-Westfälinger kommen die Weltuntergangsprophezeiungen nicht an. Wären am nächsten Sonntag Landtagswahlen, stellte Emnid jüngst in 1000 Interviews fest, käme die CDU auf 39 Prozent. Koalitionspartner FDP dürfte sich 12 weitere Punkte gutschreiben. SPD und Grüne erhielten 32 bzw. elf Prozent.
Kurzum: Beim Spielstand von 51 zu 43 lässt sich für Rüttgers und Co. komfortabel Politik machen. Unpopuläres, aber mehr als Überfälliges kann in solchen Zeiten endlich durchs Ziel gebracht werden. Noch immer ist vieles nachzuholen an Rhein und Ruhr.
Besonders verheerend für SPD-Chefin Hannelore Kraft, eine ausgewiesene Managerin der Schröder'schen Neuen Mitte/New Economy: In der Wirtschaftspolitik wird der Regierung deutlich mehr zugetraut als der Opposition. 67 Prozent halten die Landesregierung für kompetenter, die Wirtschaft im Lande wieder in Schwung zu bringen. Der Opposition möchten ganze 18 Prozent diesen Job überlassen. Auch halten 60 Prozent die Landesregierung für fähiger, wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen. Nochmal Höchststrafe für die Ex-Regierenden: 20 Prozent.
Vor diesem Hintergrund kann sich die Rüttgers-Riege beim Landesparteitag ganz locker der sicheren Wieder-Wahl stellen. Keine Frage: Auch das knallharte Maßnahmenpaket zur Eindämmung von Gewalt bei und unter Jugendlichen wird ungerupft durchs Ziel gehen. Dabei spricht kaum einer darüber, dass neben der Abschreckung durch Strafe eine ganze Palette von Hilfsmaßnahmen wie aus besten rot-grünen Zeiten im Leitantrag aufgelistet ist. Selbst kleinere Reibereien mit den Liberalen in der eigenen Koalition werden Rüttgers nicht erschüttern. Außerdem: Erziehungscamps nach US-Muster werden mit Sicherheit die ganz große Ausnahme bleiben.
Solche, einst »Besserungsanstalt« genannte Einrichtungen setzen ein Signal, das jeder versteht: Die Opposition, die reflexhaft aufheult, die Wähler, denen härteres Durchgreifen versprochen worden war, sowie künftige Nachwuchs-Schläger, denen erstmals klar werden dürfte, dass rote Karte auch rote Karte bedeutet.

Artikel vom 04.05.2007