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»Für uns ist es eine Spielwiese«

Lautes Denken in Bielefeld. Das ist »sparrenblog.de«. Wer steckt dahinter? Was soll das Ganze? Mit den Sparrenblog-Machern Mischael-Sarim Vérollet und Rouven Ridder sprach Laura-Lena Förster.

Was bringen mir Blogs?Mischa: Sie bringen mir Informationen, die ich sonst nirgendwo finde. Blogs sind sehr subjektiv. So fing das Bloggen ja an, dass es eine Art Internet-Tagebuch war. Seit wenigen Jahren gibt es aber auch Blogs zu bestimmten Themen.
Rouven: In Blogs kann man das Potential einiger Schreiber feststellen, die nicht unbedingt einen Vertrag bei einem Verlag haben. Sie bieten oft richtig gute Geschichten, die man eben nicht im Handel kaufen kann.

Warum braucht Bielefeld das Sparrenblog?Mischa: Bielefeld braucht das Sparrenblog nicht, genauso wie niemand Blogs an sich braucht. Wir sind 2000 Jahre Menschheitsgeschichte ohne Blogs klargekommen und würden das auch weiterhin können. Für uns ist es eine Spielwiese. Wir können uns mitteilen, uns halb-journalistisch austoben. Und der Leser findet Geschichten, die er sonst nirgendwo finden wird. Wir bieten ja nicht nur Fakten, Fakten, Fakten, sondern stark Subjektives.
Rouven: Mittlerweile haben wir es auch geschafft, wie man an der Zahl der Leser erkennt, dass einige Menschen unser Blog tatsächlich brauchen.
Mischa: Wir fühlen uns durch die große Leserschaft sehr privilegiert und fassen das als große Ehre auf, dass wir täglich gelesen werden.

Warum konzentriert ihr euch speziell auf Bielefeld?Mischa: Ich hatte vorher schon kurz gebloggt, habe aber immer wieder aufgehört, weil ich kaum Besucher hatte. Vermutlich war mein eigenes Leben zu langweilig. Dennoch hatte ich Lust aufs Bloggen und irgendwann kam die Idee: Ich möchte etwas über Bielefeld machen. Es gab schon ein Bielefeld-Blog, das ich aber sehr kommerziell fand. Ich hatte die ganze Zeit schon Rouvens privates Blog gelesen und kannte ihn über Poetry Slam. Alleine hatte ich keine Lust, ein Bielefeld-Blog zu starten. Außerdem hatte er schon einen Fuß in der Blogger-Szene. Das Grundgerüst hatte ich gebaut, als ich ihn angesprochen habe, die Domain reserviert. Ich war übrigens erstaunt, dass noch niemand auf die Idee gekommen war, ein Blog Sparrenblog zu nennen.
Rouven: Und ich war sofort begeistert, als Mischa mich angesprochen hat.
Mischa: Und seit dem 29. September 2006 bloggen wir. Bis heute hatten wir nur vier oder fünf Tage, an denen nichts Neues veröffentlicht wurde. Sonst gibt es jeden Tag mindestens einen, manchmal sogar zwei bis drei neue Artikel.
Rouven: An den Feiertagen haben wir mal Pause gemacht.

Wie finde ich mich in der Blog-Szene, ja im Blog-Dschungel zu-recht?Rouven: Da hilft nur wühlen. Dafür gibt es keinen Plan. Vor allem, weil die Blogs thematisch alle sehr unterschiedlich sind. Es gibt im Internet ja diese Liste, diese Blogroll »bieleblogs«, die Bielefelder Blogs nennt. Mit Sicherheit ist sie nicht vollständig, weil irgendwelche Leute lieber im Kleinen für sich sein wollen. Aber wenn Du Dich da durchklickst, wirst Du sehen, dass das stark persönlich gefärbte Blogs sind. Dann sind da wieder andere, die politisch motiviert sind.

Gibt es Qualitätskriterien für Blogs, an denen ich mich entlang hangeln kann?Mischa: Das ist subjektiv. Es geht einfach darum: Was interessiert mich gerade? Beispiel Sparrenblog: Am Anfang lasen es mehr Auswärtige, mittlerweile ist das Verhältnis in etwa 70 zu 30. Die Leute die Sparrenblog lesen, interessieren sich entweder für Bielefeld oder für uns oder für Poetry Slam. Aber hauptsächlich für Bielefeld. Das merkt man einfach daran, dass, sobald wir bei einem größeren Blog wie beispielsweise Spreeblick verlinkt sind, die hohen Besucherzahlen in etwa nur zwei Tage anhalten. Dennoch sind die Besucherzahlen seither konstant höher. Die Nutzer interessieren sich entweder für Bielefeld oder finden das, was wir bieten, unterhaltsam. Einige Themen haben schließlich auch nichts mit Bielefeld zu tun oder wenn, dann nur am Rande. Wir sehen Sparrenblog ohnehin als Entertainment-Medium. Wir möchten gar nicht nur ernst sein.
Rouven: Viel macht aber auch die äußere Aufmachung. Es gibt viele Blogger, die schreiben wirklich nur über das Meta-Phänomen Bloggen.

Was heißt das?Rouven: Die schreiben übers Bloggen selbst oder über die Machart oder übers Internet. Das sind unheimlich viele Webdesigner und Medienentwickler. Ich persönlich finde das nicht so interessant.

Zurück zu Spreeblick. Die Seite ist ja so etwas wie das Aushängeschild der Blog-Szene. Warum? Mischa: A: Es ist sehr nahe am Markt, weil es eines der älteren deutschen Blogs ist. B: Die Macher kommen aus Berlin, was für sich schon 'ne Marke ist. Und C sind sie sehr unterhaltsam. Was Sparrenblog für Bielefeld sein möchte, ist Spreeblick für Deutschland. Sie haben unheimlich viele Besucher und decken nahezu alle Themen ab. Sie greifen das Thema RAF sehr kontrovers auf. Dann geht es um Iggy Pops Geburtstag, dann um das eigene Befinden. Das ist Bloggen par exellence.

Nur wegen der Vielfalt?Rouven: Ja, und weil man merkt, dass dahinter Personen stecken. Nicht selten hat man den Eindruck, dass ein Blog auch nur eine Person ist.

Wann kommt ihr überhaupt zum Bloggen?Mischa: Ich schreibe meine Texte immer morgens vor der Arbeit und abends, wenn ich nach Hause komme, geht's dann weiter. Sparrenblog ist mittlerweile genau wie Poetry Slam Teil meines Lebens.
Rouven: Es ist zeitaufwändig. Aber unsere Artikel sind ja subjektiv verfasst, man macht sich also nicht so viele Gedanken darüber und braucht entsprechend auch nicht so lange wie beispielsweise für einen Zeitungsartikel.
Mischa: Es kommt aber auch immer auf den Artikel an. Wenn man etwas oder jemanden angreift, muss man recherchieren. Und dann kann es schon mal einige Stunden dauern, den Artikel zu schreiben.

Apropos angreifen: Was macht ihr, wenn jemand euer Blog anonym für Anfeindungen und Hetze missbraucht?Mischa: So ganz anonym ist derjenige nicht, denn ich habe jedes Mal die IP. Klar ist es schwierig, sie zurückzuverfolgen, aber zumindest gibt es die Möglichkeit. Zu 99 Prozent hatten wir aber bislang zivilisierte Kommentatoren. Ein Beitrag war als Spam erkennbar. Wegen Beleidigung habe ich noch nie etwas löschen müssen. Wenn ein Beitrag in diese Richtung ginge, würden wir ihn auch nach Möglichkeit drinlassen und kommentieren. Polemik ist vollkommen in Ordnung, bei Beleidigung muss man abwägen: Wird eine Person beleidigt? Dann würden wir den Beitrag löschen. Das ist aber stets die letzte Lösung. Hetzerische Kommentare kommen natürlich sofort raus.

Wie oft kontrolliert ihr die Beiträge?Mischa: Tagsüber sind wir ja meist nicht da. In einem Fall haben die Anderen dann kommentiert und uns benachrichtigt. Unsere Stammkommentatoren sind einfach toll.
Rouven: Sie halten sich eben an die Nettikette.

Artikel vom 08.05.2007