03.05.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Rüttgers gratuliert den Lippern

Der ehemalige Freistaat gehört sein 60 Jahren zu NRW - Festakt in Detmold

Von Reinhard Brockmann
und Stefan Hörttrich (Fotos)
Detmold (WB). Ordensverleihung im Residenzschloss, Kabinettssitzung im alten Landtag und Festakt im Landestheater: Mit großer Symbolkraft würdigte gestern Jürgen Rüttgers (CDU) »60 Jahre Zugehörigkeit des früheren Reichslandes Lippe zu Nordrhein-Westfalen«.

Die Einladungsschreiben für eine große Zahl von Ehrengästen waren ein wenig umständlich formuliert. Sie mieden offenbar bewusst die in Lippe geläufigen Bezeichnungen »Fürstentum« und »Beitritt«. Schon gar nicht verrieten die Gastgeber dem Landesvater, dass jene Glocke, mit der er die Kabinettssitzung eröffnete, landläufig »Sterbeglöckchen« heißt.
Mit ihr war die letzte Sitzung des lippischen Landtages am 21. Januar 1947 um 15.20 Uhr zu Ende gegangen. Präsident Heinrich Drake hatte in langen Verhandlungen dem Zusammenschluss mit NRW zugestimmt. Die gleichfalls um Lippe buhlenden Niedersachsen bekamen einen Korb. Rüttgers: »Eine gute Entscheidung! Für die Lipper, aber genauso für Rheinländer und Westfalen.«
Mit einem Bonmot von Johannes Rau eröffnete der Ministerpräsident den Festakt historisch tiefgängig, zugleich rheinisch locker: »Nordrhein-Westfalen braucht für seine Zukunft die Zuverlässigkeit der Rheinländer, die Leichtigkeit der Westfalen und die Großzügigkeit der Lipper.«
Vielfalt sei ein Geschenk, betonte er und sprach vom Land der Solidarität zwischen Starken und Schwachen. Rheinländer, Westfalen und Lipper zeichne eine tiefe Vorliebe für lokale Befugnisse und Lösungen aus und eine Distanz gegenüber allem Zentralismus. Rüttgers: »Bei uns sind Bürgerstolz und Arbeiterkultur eine Symbiose eingegangen.«
Es sei wichtig, das Landesbewusstsein nicht zu verstecken, sondern stolz zu zeigen. Deshalb seien die Mittel für die Kulturförderung verdoppelt worden, gebe es jährlich den Nordrhein-Westfalen-Tag - 2007 in Paderborn. Rüttgers will weg von der »technokratischen« Abkürzung NRW. »Wir nennen Deutschland ja auch nicht BRD«, sagte er.
Auch er habe damals gefühlsmäßig mehr zu Niedersachsen tendiert, räumte Prinz Armin zur Lippe ein: »Ich bekenne Herr Ministerpräsident, ich habe mich geirrt.«
Keine andere Region biete so hohe kulturelle Vielfalt wie Lippe, betonte Moritz Ilemann, Vizevorsteher des Landesverbandes Lippe. Das durch die Punktationen geschützte Sondervermögen diene auch der Wirtschaftsförderung. Mit Blick auf die Zukunft des Verbandes und auf den Kreis Lippe ergänzte er: »Lippe gibt es jetzt und in Zukunft nur im Doppelpack.«
Voller Selbstbewusstsein erklärte Landrat Friedel Heuwinkel: »Das größte Bundesland der Bundesrepublik mit einem kleinen, aber besonders feinen Landesteil, mit der lippischen Rose im Wappen des Landes, feiert.« Die lippischen Punktationen hätten gerade deshalb große moralische Wirkkraft, weil sei weder Staatsvertrag noch zeitlich befristet seien.
Ganz anders gaben sich gut drei Dutzend Demonstranten, die mit Trillerpfeifen und Plakaten das Kabinett in Detmold begrüßten: »Schluss mit lustig, Mitbestimmung erhalten«, forderte Verdi. Landesvater Rüttgers antwortete kurz: »Die Mitbestimmung bleibt.« Die Frage der Demonstranten, warum nicht neue Stellen geschaffen würden, statt 12 000 abzubauen, konterte der CDU-Ministerpräsident wie ein Lipper: »weil wir sie nicht bezahlen können«.

Artikel vom 03.05.2007