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Der Physiker Dr. Philip Tinnefeld am Mikroskop beim Ausrichten des Lasers. Er schaut in das Innerste einer Zelle. Foto: Sabine Schulze

Live-Show der
Moleküle in
einer Zelle

Neue Methoden der Mikroskopie

Bielefeld (sas). Das Weltall erscheint uns unendlich. Aber auch ganz unten, im Kleinsten, ist unermesslich viel Raum, in dem Dinge zu entdecken sind. Und zuweilen, wenn er das Geschehen in einer Zelle beobachtet, kommt es Dr. Philip Tinnefeld durchaus so vor, als schaue er in den Himmel.

Dann nämlich, wenn der Physiker einzelne Moleküle in der Zelle mit leuchtenden Farbstoffen markiert hat. Warum er das macht, hat Tinnefeld, der soeben von der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft mit dem Habilitationspreis ausgezeichnet wurde, anlässlich der Preisverleihung vor deren Mitgliedern erläutert.
Der 31-jährige Physiker trägt dazu bei, neue Methoden der Mikroskopie zu entwickeln, die es erlauben, die Wechselwirkungen einzelner Moleküle in einer Zelle live zu beobachten. Dazu koppelt er an die spezifischen Teile in der Zelle einzelne Farbstoffe, die das Zellgerüst beispielsweise ebenso sichtbar machen wie die DNA. »Das Problem dabei: Die Farbe bleicht aus oder wird vom Licht zerstört«, erklärt er. Ein Problem, das Tinnefeld angeht: Die Wissenschaftler arbeiten daran, Rezepte für eine größere Fotostabilität zu entwickeln. Immerhin aber beweist das Verschwinden eines leuchtenden Farbstoffes, das man ein einzelnes Molekül in einer Zelle entdeckt hat, denn mehrere Moleküle einer Sorte würden kaum zeitgleich »verlöschen«. Sie blinken um die Wette wie Sterne am Himmel. Als Lichtschalter dienen ihnen fluoreszierende Farbstoffe: »Nahe beieinander liegende Moleküle geben ihr Licht weiter.« So können molekulare Lichtleiter dem Energietransfer in einer Zelle dienen.
Wenn die Wissenschaftler diese Energieübertragung messen, bei der das Licht die Farbe wechselt, können sie auf die Nähe der einzelnen Moleküle rückschließen. Und sie können beweisen, dass die Proteine in einer Zelle untereinander wechselwirken. »Die genauen Abläufe sind heute zu beobachten wie die Abläufe in einer Maschine«, sagt Tinnefeld.
Im Hinterkopf haben er und seine Kollegen eine Anwendung: Einzelmoleküle werden in der Diagnostik von Krankheiten eine Rolle spielen. »Das komplette Genom eines einzelnen Menschen zu sequenzieren, kostet heute viele Millionen. Die Kosten bei einem einzelnen DNA-Molekül (die DNA ist Träger der Gene) könnte langfristig auf einige tausend Euro reduziert werden.«
Ziel ist es dann, bei Krankheiten personifizierte Medizin einzusetzen. »Ein zweiter Ansatz besteht darin, bei der Suche nach Antikörpern sensitiver zu werden, sie eher und in kleinsten Mengen im Blut zu entlarven - mit Sonden, die erst leuchten, wenn sie an die Antikörper gebunden sind.«
Seine weiteren Forschungen in der Laserspektroskopie wird Tinnefeld, verheiratet und Vater von zwei Kindern, nicht in Bielefeld betreiben: Im Sommer wechselt der 31-Jährige als Professor an die Ludwig-Maximilian-Universität nach München und übernimmt dort den Lehrstuhl für Biophysik.

Artikel vom 04.05.2007