01.05.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das Publikum lag der
»Manon« zu Füßen

Operntraumpaar bei der Premiere in Berlin gefeiert

Berlin (dpa). Ob als Unschuld vom Lande oder Sünderin in rot: Wenn Anna Netrebko für »Manon« in Berlin auf die Bühne tritt, weht ein Hauch von Hollywood durch die Staatsoper Unter den Linden.
Mal erinnert die Starsopranistin im Petticoat und weitem Ausschnitt an Gina Lollobrigida, im engen Lametta-Kleid sieht sie als blondierter Vamp Marilyn Monroe ziemlich ähnlich. Und wenn sich Netrebko und Rolando Villazón im Lotterbett ganz der Liebe hingeben, läuft das derzeitige »Traumpaar der Oper« zur Vollendung auf. Das Publikum der mit viel Spannung erwarteten Premiere von Jules Massenets Drama jubelte am Sonntag den Sängern sowie dem Dirigenten Daniel Barenboim fast eine halbe Stunde lang zu.
Die Russin und der Tenor aus Mexiko bedankten sich ausgiebig bei den etwa 1600 Zuschauern in dem seit Monaten ausverkauften Haus am Lindenboulevard.
Die Zuhörer nahmen den Trubel zunächst gelassen. Erst als die 35-jährige Netrebko im dritten Akt ihre Arie beendete, brandeten die Bravo-Rufe auf. Dabei wollte es Regisseur Vincent Paterson dem Publikum leicht machen und stellte die aufwendige Inszenierung ganz und gar auf die beiden Hauptdarsteller ein.
Die Geschichte der Kindfrau Manon lässt der Amerikaner nicht im 18. Jahrhundert des Originals, sondern in der Nachkriegszeit spielen. Die bunten Kostüme, das Bühnenbild mit überlebensgroßen Paris-Bildern in Schwarz-weiß, die stilechten Uniformen von Soldaten und Polizisten erinnern an den Blick aus Hollywood auf das »alte Europa« der sechziger Jahre.
Ob als keusches Schulmädchen oder reuige Sünderin - Netrebko ist mit ihrer makellosen Stimme und ihrer Schönheit der Star des Abends. Sie spitzt ihren Schmollmund, rollt mit den Augen, liefert sich im Babydoll eine Kissenschlacht mit ihren Geliebten Des Grieux und turtelt mit den Nebenbuhlern. Die Sängerin lässt sich dreieinhalb Stunden Zeit, um ihr Publikum zu erobern, dass ihr zum Schluss zu Füßen liegt.
Doch erst Villazón, der zur Zeit wohl weltweit beste Tenor, verleiht der Aufführung die dramatische Tiefe. Als enttäuschter Geliebter, der in der Priesterrobe Manons Begehren widerstehen möchte, sorgt erst er für den Gänsehaut-Effekt. Der Mexikaner hat sich als Darsteller weiter entwickelt, ist längst nicht mehr der Zappelphilipp früherer Bühnentage. Am Schluss, als er mit seiner toten Geliebten in den Armen in Richtung Morgenröte wie im kitschigen Heimatfilm entschwindet, spürt auch der abgeklärteste Zuschauer, wie dem Unglücklichen das Herz zerbricht.
Das Operntraumpaar wird am gemeinsam am 22. August im Haller Gerry-Weber-Stadion auftreten. Das Konzert ist allerdings bereits ausverkauft.
0521/52 99 640

Artikel vom 01.05.2007