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Staatskrise in der Türkei

Neuwahl möglich - EU-Kommission warnt Militärs vor Putsch

Istanbul/Brüssel (dpa). Angesichts der sich zuspitzenden Staatskrise in der Türkei hat die EU-Kommission in Brüssel vor einem Militärputsch gewarnt.
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Die Krise um die Wahl eines neuen Staatspräsidenten in der Türkei hat am Montag auch zu einem dramatischen Kurseinbruch an der Istanbuler Börse geführt. Mit Spannung wird für diesen Dienstag eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in Ankara erwartet, das über einen Eilantrag der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) zur Aussetzung der Präsidentenwahl zu befinden hat.
In Istanbul hatten am Sonntag Hunderttausende gegen die Regierung Erdogan und eine schleichende Islamisierung ihres Landes demonstriert.
Die Krise um die Präsidentenwahl war eskaliert, als der Generalstab in Ankara in scharfer Form vor Bestrebungen nach einer Aushöhlung der in der Verfassung verankerten Trennung von Staat und Religion und damit indirekt vor einer Wahl von Außenminister Abdullah Gül zum Staatsoberhaupt der Türkei gewarnt hatte.
Auf die immer stärker vorgetragene Forderung nach unverzüglichen Neuwahlen reagierte das islamisch- konservative Regierungslager um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auch am Montag demonstrativ gelassen.
Außenminister Gül, der in der ersten Wahlrunde die nötige Zweidrittelmehrheit um zehn Stimmen verfehlt hatte, hält bislang an seiner Kandidatur fest. Die Regierung mache ihr weiteres Vorgehen von der Entscheidung des Verfassungsgerichts abhängig, hatte Gül am Sonntag erklärt. Die Oppositionspartei CHP hatte ihren Eilantrag damit begründet, dass weniger als zwei Drittel der Abgeordneten zur ersten Parlamentsabstimmung erschienen waren. Der zweite Wahlgang ist für diesen Mittwoch anberaumt.
Die EU-Kommission bekräftigte, es sei wichtig, dass das Verfassungsgericht »in völliger Unabhängigkeit von unzulässiger Einflussnahme entscheiden« könne. »Wir betonen erneut, dass demokratische Aufgaben den demokratischen Institutionen in der Türkei gemäß dem Gesetz und der türkischen Verfassung überlassen bleiben sollten«, sagte ein Sprecher.
Wie die EU-Kommission warnte auch der Europarat das türkische Militär vor einer Einmischung in die Präsidentenwahl. »Die Streitkräfte sollten in ihren Kasernen bleiben und sich nicht in die Politik einmischen«, sagte Generalsekretär Terry Davis in Straßburg. Die jüngsten Äußerungen seien ein »bewusster Versuch, die Wahl eines neuen Präsidenten zu beeinflussen«. Die Türkei war 1949 in den Europarat aufgenommen worden und gehört zu den Gründungsmitgliedern der Staatenorganisation. S. 4: Leitartikel

Artikel vom 01.05.2007