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Albrecht fürchtet Öffentlichkeit

Die RAF-Täter wollen ihre Bilder und Bezeichnungen untersagen lassen

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Seit zehn Jahren arbeitet die Terroristin Susanne Albrecht (56) mit ausländischen Grundschülern. Dies berichtete gestern die Bild-Zeitung und nannte die Nachricht »eines der bestgehüteten Geheimnisse in Bremen«.

Hintergrund des Berichts ist offenbar das Bemühen mehrerer RAF-Mitglieder, Fotos und Formulierungen bezüglich ihrer Person mit juristischen Mitteln verbieten zu lassen. Albrecht will erreichen, dass sämtliche Fotoberichte aus ihrer RAF-Zeit heute nicht mehr nachgedruckt werden dürfen. Zur Begründung gab sie diese eidesstattliche Versicherung ab: »An meiner Grundschule, an der ich erst ein halbes Jahr bin, ist meines Wissens meine RAF-Vergangenheit niemandem bekannt. Ich befürchte, dass es zu Protesten, insbesondere aus dem Kollegenkreis und der Elternschaft kommen könnte...«
Verurteilt wegen Beihilfe zum Mord an Jürgen Ponto und Mordversuchs an US-General Alexander Haig saß Albrecht sechs Jahre - Urteil: zwölf Jahre - im Gefängnis. Begründung: Sie war Kronzeugin der Anklage. Beim Ponto-Mord nutzte sie ihre Bekanntschaft mit der Familie des Dresdner-Bank-Chefs, um den Mittätern Zugang ins Haus zu verschaffen.
Nachdem »Bild« zur Freilassung von Brigitte Mohnhaupt geschrieben hatte: »Schlimmste Terroristin kommt frei« und »es ist unfassbar, dass eine Mörderin in diesem Land die Chance hat, glücklich zu werden«, schlug Mohnhaupts Anwalt Helmut Jipp mit rhetorischen Mitteln zurück: »Hetze« und »Kampagnenhaft«, schrieb er, forderte eine andere Wortwahl und schickte den Springer-Juristen eine Abmahnung. Mohnhaupt dürfe nicht als »Mörderin« oder »Terroristin« bezeichnet werden. Auch vorliegende Fotos von einem Freigang am Waginger See dürfen nicht erscheinen.
»Es gibt keine Ex-Terroristen, weil es auch keine Ex-Opfer gibt«, hält Oppositionschef Guido Westerwelle (FDP) im Bundestag dagegen. Allerdings: Schon sein Parteifreund und Ex-Innenminister Gerhart Baum sieht das ganz anders.
Anwalt und RAF-Buch-Autor Butz Peters kommentiert: »Ich verstehe nicht, warum man die Wahrheit in Deutschland nicht berichten darf.« Soeben hat Peters sein Taschenbuch »Tödlicher Irrtum« ohne ein bestimmtes Foto von Susanne Albrecht veröffentlicht. Die Terroristin hatte es ihm gerichtlich verbieten lassen. Auch Eva Haule, die noch für dieses Jahr auf Freilassung hofft, ließ der »Berliner Morgenpost« untersagen, ein mehr als 20 Jahre altes Foto von einem Fahndungsplakat zu nutzen. Das Foto sehe ihr noch zu ähnlich und würde ihre Resozialisierung behindern, argumentierte sie. Dabei gelten die damaligen Fahndungshilfen heute als Dokumente der Zeitgeschichte.
Albrecht fand in der damaligen DDR Unterschlupf. Die Stasi gab ihr neue Papiere als Ingrid Becker. Sie heiratete, bekam 1984 einen Sohn und verlor mit der deutschen Einheit ihre Tarnung. Laut »Bild« verschafften ihr die Bremer Behörden noch während der Haftzeit eine Stelle als Lehrerin. Der damalige Bürgermeister Henning Scherf (SPD) soll sich persönlich um Albrechts Rehabilitierung gekümmert haben.
Bildungssenator Willi Lemke lässt sich zitieren, Albrecht habe ein Anrecht auf eine zweite Chance. Sie habe sich »glaubwürdig und nachdrücklich von ihren Taten und von der RAF losgesagt«. Ihre Anstellung in der Stadtteilschule in Bremen sei ein Beispiel für eine gelungene Resozialisierung: »Ihre Arbeit, die sie seit vielen Jahren dort leistet, wird von allen Seiten, von Behörden und Kollegen, gewürdigt.« Lemke sei erst vor einigen Wochen im Zusammenhang mit der Debatte um die RAF informiert worden, betonte dessen Sprecher Rainer Gausepohl.
»Mit Erstaunen und Unverständnis« reagierte der Vorsitzende der Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion, Hartmut Perschau, auf die Nachricht, dass Albrecht schon seit Jahren in seiner Stadt Migrantenkindern Deutschunterricht gibt.
Die Rechtslage: Ob, wie lange und in welcher Weise über einen Täter berichtet werden darf, hängt von den Umständen ab. Wer, wie die RAF, in besonderer Weise die Öffentlichkeit etwa mit sogenannten Bekennerschreiben suchte, gilt als weniger schutzbedürftig. Sobald etwa Christian Klar oder Brigitte Mohnhaupt ein Buch schreibt oder Interviews gibt, verwirken sie ihr Recht auf Schutz vor der Öffentlichkeit.
So durfte nach einem Gerichtsurteil so lange nicht über den bestialischen Frauenmörder Fritz Honka berichtet werden, wie er lebte. Erst nach seinem Tod 1998 wurde das wieder möglich.

Artikel vom 01.05.2007