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Ganz harter Zeitplan: Training statt Abi-Ball

Gold-Recke Fabian Hambüchen soll sich nicht ausruhen

Amsterdam (dpa). Auch nach der Gala am Reck mit der Traumnote sieben gab es für den Abiturienten Fabian Hambüchen keine Atempause.

»Nichts da: Ein bisschen Bewegung muss sein«, sagte Vater Wolfgang nach dem Genie-Streich des Sohnes bei den Turn-Europameisterschaften und entsprach der scherzhaft vorgetragenen Bitte seines Sprösslings nach einer kleinen Ruhepause am »Tag der Arbeit« nicht.
Im RAI-Kongress-Zentrum hatte der kurz vor dem Abitur stehende Gymnasiast seine sportliche Reifeprüfung abgelegt und die 3000 Zuschauer in seinen Bann gezogen. »Einige meiner Konkurrenten haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als ich ihnen vorher erzählt habe, was ich heute vorhabe. Jetzt bin ich nur glücklich, dass alles so cool gelaufen ist«, sagte Hambüchen. Die Kampfrichter standen der Show den Ausgangswert zu, den sie verdient hatte: Mit der A-Note 7,0 hatte Hambüchen für eine Weltpremiere am Reck gesorgt.
»Ganz klar, er hat mit der Schwierigkeit gewonnen und nicht mit der Ausführung«, sagte der Vater und Coach und war sich da mit seinem Schützling einig. »Man muss das erst mal setzen lassen, es fehlen einem die Worte«, meinte Sportdirektor Wolfgang Willam zu den großen Auftritten des deutschen Ausnahme-Athleten, der zuvor bereits im Mehrkampf mit Silber sein enormes Potenzial unter Beweis gestellt hatte.
»Stillstand bedeutet Rückschritt«, lautete die Devise von Vater Hambüchen, angesprochen auf die weitere Planung bis zur WM vom 1. bis 9. September in Stuttgart, für die Sohn Fabian in Amsterdam die beste nur mögliche Werbung machte. Nach zwei für das Abitur noch ausstehenden Klausuren und den mündlichen Prüfungen in Deutsch und Politik Anfang Juni wird Hambüchen daher sogar auf den Abi-Ball am 20. Juni in Wetzlar verzichten, um sich zwei Wochen im Konami-Sportclub in Tokio mit den besten Japanern auf die WM vorzubereiten. »Den Sticker Abi 07 fürs Auto und ein T-Shirt habe ich ja schon. Zum Ball muss ich nicht unbedingt. Die Leute, die ich treffen will, die treffe ich auch ohne so einen Anlass«, sagte er und nahm die Absage gelassen.
Für Stuttgart will der Athlet von der TSG Niedergirmes aber seine Reck-Übung nicht schon wieder aufstocken. »Jetzt gilt es, diese schwierige Übung zu stabilisieren. Damit will ich das Risiko, sie zu verbauen, minimieren. Das Brutalste vom Brutalen wäre zwar eine Übung mit einem Ausgang von 7,4, aber das ist mir derzeit dann doch zu heiß«, gibt er zu. Hambüchen rechnet damit, dass einige Konkurrenten im Schwierigkeitsgrad bis zum Herbst nachziehen werden. »Zum Beispiel traue ich dem Franzosen Yann Cucherat das Potenzial zu, auf 6,7 zu kommen. Und dann wird es schon wieder enger«, sagte er.
Das wichtigste Ergebnis der Tage von Amsterdam aber war, dass die Reck-Patzer von 2006 bei der EM in Volos und der WM in Aarhus längst verdaut sind und keinerlei Spuren hinterlassen haben. »Das ist jetzt tausendfach vergessen. Ich denke kaum noch daran«, sagte Hambüchen.

Artikel vom 01.05.2007