05.05.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gedenkminute für Werder

Schaaf mag Klose nicht mehr kritisieren: der Trainer weicht nur aus

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bremen (WB). Beim Anstoß ließen sie die Köpfe hängen. Kevin Schindler und Hugo Almeida blickten entnervt zu Boden. Bevor die beiden Stürmer nach dem 2:1-Treffer für Espanyol Barcelona den Ball wieder ins Spiel brachten, legten sie fast eine Gedenkminute für die eigene Mannschaft ein.

Das traurigste Bild eines anfänglich lustigen Spiels: Zwei Gescheiterte wussten, dass es vorbei ist. Werder hatte auf die Wiederholung des über die Jahre schon häufiger aufgetretenen Phänomens »Wunder von der Weser« spekuliert, stattdessen ging Bremen den Bach herunter. Am Ende plätscherte dieses nach nur 19 Minuten um Nationalstürmer Miroslav Klose dezimimierte UEFA-Cup-Halbfinale nur noch dahin. Das Endspiel wird am 16. Mai in Glasgow nun zu einer rein spanischen Angelegenheit zwischen dem kleinen Barcelona und dem FC Sevilla, der nach der 0:1-Niederlage bei CA Osasuna mit dem 2:0 im eigenen Stadion noch die Wende schaffte.
Werder war mit einer 0:3-Hypothek in sein Rückspiel gegangen, hatte aber durch Almeidas Blitztor schon nach vier Minuten damit begonnen, die Schulden abzutragen. Was dann geschah, kam tatsächlich einem Wunder gleich. Einem blauen Wunder. In den Mittelpunkt des Entsetzens hatten die Hanseaten Monsieur Bertrand Layec gerückt. Werder-Manager Klaus Allofs fasste die Leistung des Schiedsrichters im Stile eines Friedhof-Bediensteten zusammen: »Er hat das Spiel getötet.« Auch die Werder-Profis motzten. Als Kenner der Sommertrainingslagers auf Bremens ostfriesischem Stamm-Eiland fühlte sich Torsten Frings als veräppelter Insulaner: »Ich dachte, wir sind hier bei einem Freundschaftsspiel auf Norderney. So hat der gepfiffen.«
Dort kreisen die Möwen über dem Strand, an der Weser flogen die Schwalben über das Gras. Das rief spontan den Vogelkundler in Layec hervor, der den zuvor bereits verwarnten Klose wegen Vortäuschens übertriebener Absturz-Ursache eliminierte. Wie aber hätten zehn Bremer ein 3:0 oder 4:0 erzwingen wollen? Coro (50.) und La Cruz (60.) beantworteten diese Frage mit Unterstützung von Werder-Schlussmann Andreas Reinke mit zwei Toren zum 5:1-Gesamtstand auf bittere Barcelona-Art.
»Wir sind schwer betrogen worden«, maulte Frings über den pfiffigen Herrn aus Frankreich. Vor allem stellte Werder die erste Klose-Verwarnung in Frage, die er für einen Check im Luftkampf kassierte. Angriffspartner Almeida rückte mitfühlend an seine Seite: »So einen Zweikampf hast du als Stürmer 100 Mal im Spiel.« Auch Diego setzte sich für den ausgeschlossenen Kollegen Klose ein. »Er wollte alles geben und alles tun, damit wir weiterkommen«, erklärte der Brasilianer.
Dabei kann einer schon mal zu Fall kommen, wie der Gestürzte später selbst einräumte. Von einem »Zupfer«, den er gespürt habe, sprach Klose und erinnerte sich wenigstens daran, dass er für einen aufrichtigen Sportsmann gehalten wird. »Und dann habe ich versucht, mich fallen zu lassen«, lieferte der 29-Jährige ein Teilgeständnis ab. Auf eine Affekthandlung im Eifer des Gefechts hätte wohl Frings erkannt. Darauf steht höchstens eine Bewährungsstrafe. »Da gehe ich als Schiedsrichter zum Spieler hin und sage ihm: Pass auf, einmal noch, und du fliegst«, empfahl Frings, »aber ich werfe ihn doch nicht sofort raus.«
Auf den Gedanken, Klose könnte sich eine außerordentliche Dummheit geleistet haben, er hätte wissen müssen, was passieren würde, kam niemand. Trainer Schaaf griff sich seinen Torhüter Reinke und mochte ihn von Schuld an den Toren nicht freisprechen, seinen Torjäger nahm er in Schutz. »Nicht nachvollziehbare Entscheidungen«, jubelte er Layec unter, Klose wurde nur in den Kollektiv-Vorwurf eingebunden, »dass wir alle Fehler gemacht haben«.
Bis dahin hatte Schaaf geblockt und gemauert, nur offenkundige Ausweichmanöver versucht. Der Trainer wollte Klose erkennbar nichts tun. Vielleicht hatte es schon genügend Prügel für den Nationalspieler wegen seines Flirts mit München gegeben. Ein übertriebener Hang eines Bremers zu den Bayern wird nicht toleriert.
Inzwischen ist die Sache ausgestanden, ebenso wie der UEFA-Cup. Bleibt die letzte Ausfahrt Berlin. Dort kämpft Werder bei Hertha BSC um die Meisterchance. Mit »Wut und Frust«, wie Trainer Schaaf hofft. Und sicher auch mit Klose, der am 30. April 2005 im Bremer Spiel gegen Arminia Bielefeld beim Stand von 0:0 einen Elfmeter nicht annahm und dafür die Fair Play Plakette der Deutschen Olympischen Gesellschaft erhielt. Niemand dachte damals, das Image des Regelhüters könne auch mal Schaden nehmen.

Artikel vom 05.05.2007