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Masern-Tote: Kritik an
Gesundheits-Behörden

Impfkommission fordert strafrechtliche Ermittlungen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld/Steinheim (WB). Im Fall der Masern-Epidemie des vergangenen Jahres mit 1700 Kranken und tödliche Folgen in Nordrhein-Westfalen soll die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung aufnehmen.

Nach Angaben von Professor Dr. Heinz-Josef Schmitt (Universität Mainz), Vorsitzender der der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut, hätten die betroffenen Gesundheitsämter und andere Verantwortliche nicht verhindert, das infizierte Kinder weiter zur Schule oder in den Kindergarten gegangen seien und sich so andere Menschen anstecken konnten. Das Infektionsschutzgesetz verbiete den Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung in einem solchen Fall eindeutig. Zudem habe ein Schulleiter die Masern als Kinderkrankheit abgetan und die Ansteckungsgefahr heruntergespielt. Es sei viel zu spät gehandelt worden, sagte Schmitt am Freitag dieser Zeitung. Die ganze Sache sei ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Wie am Freitag berichtet, sind während der Epidemie fünf Kinder an einer schweren Maserngehirnentzündung erkrankt. Ein dreijähriger Junge aus Duisburg starb bereits Mitte Januar an den Folgen der Entzündung. In der Woche nach Ostern wurde ein zweites Kind Opfer der Epidemie. Im Katholischen Klinikum in Duisburg starb ein 13 Monate alter Junge, der sich im Alter von zwei Monaten bei seiner damals 16-jährigen ungeimpften Mutter angesteckt hatte. Ferner leidet ein achtjähriges Mädchen aus Leverkusen nach der Maserngehirnentzündung unter schweren Folgen. Es konnte während des Klinikaufenthaltes nicht sprechen. Es ist jetzt behindert und musste in eine Förderschule wechseln. Zwei der an der Entzündung erkrankten Kinder sind unterdessen wieder genesen.
Die Epidemie hatte in Duisburg ihren Anfang genommen. Er sei immer noch fassungslos, dass die Staatsanwaltschaft die Vorgänge nicht schon im vergangenen Jahr verfolgt habe, sagte Schmitt. Nach den beiden Todesfällen müssten jetzt endlich alle Vorfälle aufgeklärt werden.
Die Staatsanwaltschaft Duisburg hatte im Mai 2006 nach einer Prüfung keinen Anlass gesehen, Ermittlungen gegen Verantwortliche des Gesundheitsamtes einzuleiten. An dieser Sachlage habe sich nichts geändert, sagte am Freitag der Sprecher der Strafverfolgungsbehörde, Detlef Nowotsch, dieser Zeitung. Niemand könne Eltern dazu zwingen, ihre Kinder impfen zu lassen.
In diesem Jahr haben sich nach Angaben des Landesinstituts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in NRW bereits 90 Menschen mit Masern angesteckt. 95 Prozent der Erkrankten seien ungeimpft. Die höchste Zahl der Masernkranken gebe es in Düsseldorf (46) und im Kreis Mettmann (17), sagte Dr. Ulrich van Treeck. Aufgrund der steigenden Zahl der Erkrankungen hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Gesundheitsämter per Erlass aufgefordert, alle notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Hierzu gehörten, je nach Infektionslage vor Ort, die Kontrolle von Impfausweisen, Zwangsurlaub für Schüler die nicht oder nur unzureichend geimpft seien sowie die komplette Schließung von Kindergärten und Schulen.
Bundesweit gibt es derzeit 210 Masernfälle. Jeweils 90 Fälle in NRW und Niedernbayern und acht Fälle in Hessen. Zudem gibt es Einzelfälle in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. In Ostwestfalen-Lippe gibt es bisher zwei Fälle: In Steinheim (Kreis Höxter) sind eine Mutter und ihr Kind an Masern erkrankt. Alle Kontaktpersonen der Familie wurden inzwischen geimpft.

Artikel vom 28.04.2007