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Drama eines
Zwillingspaares

Niederländische Literaturverfilmung

ARD, Sonntag, 23.30 Uhr: Als Roman von Tessa de Loo stimmten »Die Zwillinge« die Niederländer nachdenklich.
Nach vielen Jahren sieht Lotte (Thekla Reuten, links) ihre Schwester Anna (Nadja Uhl) wieder, die als Dienstmädchen arbeitet. Foto: ARD

Die Verfilmung des Stoffes um Anna und Lotte, die Jugend, Nazi- und Nachkriegszeit getrennt durchleben, wird den Deutschen wie ihren Nachbarn gleichermaßen gerecht. Dem niederländischen Regisseur Ben Sombogaart brachte das Werk 2002 eine Oscar-Nominierung ein. Die Hauptrollen sind mit Nadja Uhl, Thekla Reuten, Ingo Naujoks, Barbara Auer, Roman Knizka, Gudrun Okras und Ellen Vogel erstklassig besetzt.
Die Zwillingsschwestern werden 1926 nach dem Tod der Eltern getrennt. Lotte wächst behütet nahe Amsterdam auf, doch Anna muss bereits in jungen Jahren auf einem deutschen Bauernhof harte Arbeit leisten und wird misshandelt. Im Roman ist es ein Dorf im Paderborner Land, an der Lippe gelegen, im Film dagegen weniger klar erkennbar.
Es dauert zehn Jahre bis sich die Zwillinge erstmals wieder sehen und gemeinsam ein paar glückliche Tage erleben. Dann bricht der Krieg aus. Lottes jüdischer Verlobter wird nach Auschwitz deportiert. Ihr Lebensglück zerbricht, und sie macht Anna, die einen SS-Offizier geheiratet hat, dafür verantwortlich. Erzählt wird die herzzerreißende Geschichte aus der Rückblende von zwei alten, verbitterten Frauen, die sich zufällig im belgischen Kurort Spa treffen und sich dort zum letzten Mal gemeinsam mit ihrem Schicksal auseinandersetzen.
Sombogaarts Film betrachtet die Nazi-Vergangenheit aus dem Blickwinkel zweier Mädchen, die zwischen die Fronten der Weltgeschichte geraten. Das Epos war in den Niederlanden ein großer Erfolg und wurde zugleich kontrovers diskutiert, denn es lässt die moralischen Trennlinien zwischen Gut und Böse, zwischen Nazis und Holländern unscharf werden. Für Anna etwa bedeuten die Nazis eine Chance, ihrem Aschenputteldasein zu entrinnen. Und Lotte entdeckt während der deutschen Besatzung, dass ihr holländischer Stiefvater nicht so uneigennützig ist, wie er vorgibt.

Artikel vom 28.04.2007