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Todesviren zerstören Gehirn

Zwei Kinder aus Lippe wurden als Babys mit Masern infiziert

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bad Salzuflen (WB). In Nordrhein-Westfalen ist erneut ein Kind nach einer Maserninfektion an einer tödlichen Gehirnentzündung erkrankt. Es handelt sich um ein acht Jahre altes Mädchen aus dem Kreis Lippe.

Das Mädchen hatte sich ebenso wie der achtjährige Micha G. aus Bad Salzuflen 1999, im Alter von fünf Monaten, in einer Kinderarztpraxis in Bad Salzuflen angesteckt. Micha G. leidet bereits seit Anfang 2005 unter der Gehirnentzündung SSPE (Subakute sklerosierende Panenzephalitis). Er befindet sich im Wachkoma. Bei dem gleichaltrigen Mädchen verlaufe die Krankheit schneller, sagte Sean Monks vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Das Kind verliere immer mehr Fähigkeiten.
Bei den Todesmasern wird das Gehirn durch Viren zerstört. Anfängliche Symptome sind Interesselosigkeit, Apathie, nächtliche Angst und Wutausbrüche. Monate später kommen unnatürliche Bewegungen und geistiger Abbau hinzu. Es sei nicht bekannt, was der Auslöser für diese Masern-Spätfolge sei. Zwischen Infektion und dem Ausbruch erster Symptome lägen mehrere Jahre.
Die Infektion war in der Arztpraxis von einem 13-jährigen übertragen worden, der nicht gegen Masern geimpft war. Bei dem 13-jährigen waren erst am Folgetag Masern diagnostiziert worden. Der Junge war nach Angaben von Dr. Christoph Holzhausen mit unspezifischen Beschwerden in seine Praxis gekommen. Der Elfjährige habe insgesamt neun Kinder angesteckt, darunter drei Säuglinge. Und bei zwei der ehemaligen Säuglinge sei die fürchterliche Erkrankung ausgebrochen.
Die unheilbare Masernkomplikation wird nach Angaben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte völlig unterschätzt. Während das Robert Koch-Institut von einer Erkrankung pro 10 000 Masernfälle ausgeht, gebe es eine aktuelle Untersuchung aus Bayern mit anderen, alarmierenden Zahlen, sagte Monks. Nach diesen Daten liege das Risiko, an einer SSPE zu erkranken, bei mehr als 1:2000, wenn die Kinder im Säuglingsalter die Masern durchmachten.
Da Säuglinge noch nicht gegen Masern geimpft werden könnten, müssten Ansteckungen unbedingt verhindert werden, sagte Professor Dr. Heinz-J. Schmitt, SSPE-Experte von der Universität Mainz. Kein Kind sollte in Deutschland eine Kinderkrippe, einen Kindergarten oder eine Schule besuchen, ohne einen vollständigen Impfschutz nachzuweisen. Während der Masernepidemie in NRW 2006 waren fast 120 Säuglinge an Masern erkrankt. Unter den 80 Masernfällen in diesem Jahr befänden sich neun Kinder im ersten Lebensjahr.
www.kinderaerzte-im-Netz.de

Artikel vom 27.04.2007