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Rentnerin verklagt Ratsherrn

76-Jährige widerruft Generalvollmacht und verlangt Rechenschaft

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Eine Rentnerin aus Paderborn zieht gegen einen Ratsherrn vor Gericht. »Er hat mich finanziell ausgenutzt!«, sagt sie. »Stimmt nicht!«, kontert der Kommunalpolitiker. Er habe sich für die Frau aufgeopfert - ehrenamtlich.
Franz Josef Henze sitzt im Rat der Stadt Paderborn.
Vor ein paar Jahren war Margot Lisson (76) in den SPD-Ortsverein Paderborn-Schloß Neuhaus eingetreten. »Der hat immer so schöne Seniorenausflüge gemacht.« Als die alleinstehende Frau 2004 ein Grundstück verkaufen wollte, half ihr der Ortsvereinsvorsitzende und Ratsherr Franz Josef (»Franjo«) Henze (55). »Wir lernten uns näher kennen, und er sagte: Margot, ich mache aus Deinem Haus ein Paradies. Allerdings brauche ich eine Generalvollmacht.«
Die Rentnerin stimmte zu. Ihr Haus, das ihre Eltern in den 70er Jahren gebaut hatten, war heruntergekommen, der Garten verwildert. Im August 2004 unterschrieb die Seniorin bei einem Notar die Vollmacht. »Anfangs war ich sehr dankbar, dass Franjo sich um alles kümmerte. Er kaufte sogar für mich ein!« Auch am Haus ging es vorwärts: Franz Josef Henze ließ eine neue Heizung einbauen, Wohn- und Schlafzimmer tapezieren und die Bodenbeläge erneuern. Er arbeitete sogar selbst auf der Baustelle. »Ich kann nicht Nein sagen. Wenn ich sehe, dass meine Hilfe benötigt wird, bin ich da«, sagt der Kommunalpolitiker, der als Ingenieur bei der Stadt Bielefeld beschäftigt ist.
Anfang 2006 kühlte das Verhältnis der beiden merklich ab. »Ich glaube, Margot hat mich als eine Art Sohn betrachtet. Sie nahm mich immer mehr in Beschlag und verlangte, dass ich ihr jederzeit für Gespräche zur Verfügung stehe. Das konnte und wollte ich aber nicht«, sagt Franz Josef Henze. Die Rentnerin sieht andere Gründe: »Es kam viel zusammen. Beim Entrümpeln meines Hauses hat Franjo eine Marien-Statue auf den Müll geworfen, und mein Schlafzimmer hat er fliesen lassen, obwohl ich Teppich wollte. Zum Schluss gingen die Bauarbeiten nicht mehr weiter und Franjo versuchte, mich zu isolieren.« Er habe Menschen den Kontakt zu ihr untersagt. »Heute glaube ich, er fürchtete, ich könnte über die Generalvollmacht sprechen und von anderen Menschen gewarnt werden.«
Franz-Josef Henze bestreitet eine solche Kontaktsperre: »Wie käme ich dazu, Menschen den Umgang mit Margot zu verbieten?«, fragt er. Allerdings wird die Darstellung der Rentnerin von zwei Paderbornern bestätigt. Ein Handwerker, der im Haus der Rentnerin gearbeitet und die 76-Jährige dabei kennengelernt hatte: »Meine Frau und ich hatten Margot einmal zum Kaffeetrinken eingeladen. Als Herr Henze davon erfuhr, rief er mich an und sagte, er wünsche solche Kontakte nicht.« Auch eine Frau, die Margot Lisson einmal in der Woche als Haushaltshilfe zur Hand gegangen war, hat nach eigenen Angaben eine solche Anweisung erhalten: »Herr Henze hatte mitbekommen, dass ich Frau Lisson angerufen und mich nach ihrem Wohlbefinden erkundigt hatte. Er bestellte mich zu sich und sagte, dass er solche privaten Gespräche nicht dulde.«
Im Mai 2006 widerrief Margot Lisson ihre Generalvollmacht. »Seit damals versucht sie, eine Aufstellung über den Verbleib ihres Geldes zu bekommen«, sagt Rechtsanwalt Peter Heeg, der die Rentnerin seit Ende vergangenen Jahres vertritt. »Wenn man alle Arbeiten, die am Haus gemacht worden sind, berücksichtigt, fehlen nach einer vorläufigen Aufstellung die Verwendungsnachweise für 25 000 Euro. Wir haben die Kontoauszüge ausgewertet und kaum Überweisungen an Handwerker gefunden. Stattdessen hat es immer wieder erhebliche Bar-Abhebungen gegeben, deren Anlass wir nun gerne gewusst hätten«, sagt der Rechtsanwalt. Seit Dezember habe er den Kommunalpolitiker zweimal um Aufklärung gebeten, ohne dass seine Briefe beantwortet worden seien, sagt Heeg. Erst nachdem er mit einer Klage gedroht habe, habe Henze angekündigt, bis zum 31. März alle Rechnungen vorzulegen. »Das ist aber nicht geschehen.« Heeg wird deshalb beim Landgericht Paderborn eine sogenannte Stufenklage einreichen: »Zunächst verlangen wir Auskunft über den Verbleib des Geldes, anschließend werden wir voraussichtlich Schadensersatz geltend machen.«
Franz Josef Henze sagt, er »könnte heulen«, wenn er sehe, wie sein Engagement heute missverstanden werde. »Ich habe alles ehrenamtlich gemacht und keinen Cent bekommen«, versichert er. Als Mitarbeiter der Stadt Bielefeld und Kommunalpolitiker habe er 18-Stunden-Tage und sei deshalb nicht dazu gekommen, die Verwendung des Geldes nachzuweisen. »Wenn jetzt versucht wird, mich zu kriminalisieren und meinen Einsatz so darzustellen, als hätte ich eine alte Frau ausgenommen, werde ich mich mit anwaltlicher Hilfe zur Wehr setzen!«
Margot Lisson hat ihr Parteibuch inzwischen zurückgegeben.

Artikel vom 28.04.2007