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Bielefelder Riesen-Krake bei der Parade der Gipfel-Kritiker

Möglichst bunte und friedliche Beiträge zum G-8-Treffen aus der Region

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Ungerechten und unfairen Welthandel hat Ute Sattler (66) in Afrika hautnah erlebt. Im Juni kommen die Verantwortlichen zum G-8-Gipfel nach Deutschland: »Da will ich dabei sein«, sagt die kämpferische Bielefelderin.

Normalerweise verkauft die Lehrerin im Ruhestand Kaffee zu korrekten Preisen im Eine-Welt-Laden des Missionshauses in Bethel. Aber sie weiß auch, dass fünf große Röster den Weltmarkt unter sich aufteilen, die Einkaufspreise gnadenlos drücken und die Produzenten im globalen Hamsterrad immer ärmer machen.
Mit dem »Bielefelder Bündnis gegen den G-8 Gipfel« will sie bereits am 2. Juni in Rostock an der großen Vorab-Demo teilnehmen. Die Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland und den USA sollen schon vor der Ankunft im mondänen Heiligendamm hören und sehen, was von ihnen wirklich erwartet wird. Denn die 1975 auf Schloss Rambouillet gegründete Runde ist weder gewählt noch ernannt, findet aber enorme öffentliche Aufmerksamkeit - auch wegen heftigster Proteste.
Die Stadt am Teuto wird nach Angaben von Ulrike Mann aus dem Bielefelder Welthaus mit mindestens 100 Aktiven dabei sein. Einen Riesen-Kraken hat man gebaut. Das Tier mit den Tentakeln, benannt nach besonders gierigen Multis, ist Bielefelds sinnfälliger Beitrag zur Parade der Großpuppen. Masken von Merkel, Bush und Co. umringen das Monster. Spektakulär soll es werden, aber auch bunt und heiter.
Zwischen 50 000 und 100 000 Demonstranten werden zur Gegenveranstaltung in der mecklenburg-vorpommerschen Hansestadt erwartet. Direkt an das Tagungsgelände im Ostseebad Heiligendamm kommen die Kritiker nicht heran. Ein millionenschwerer Zaun trennt Regierende und Regierte.
Mehr als 100 bundesweit tätige Organisationen und Gruppen beteiligen sich. Ute Sattler hat sich »www.gerechtigkeit-jetzt.de« angeschlossen. Von Brot für die Welt, über Katholische Landjugend und das Welthaus Bielefeld bis zur Vereinten Evangelischen Mission gehören 36 Gruppen allein diesem Bündnis an. Ute Sattler: »Ich verteile unseren Flyer überall, aber würde mir mehr Zusagen von Leuten wünschen, die selbst dabei sein wollen.«
Flagge zeigen bei der Demonstration vier Tage vor dem Beginn der politischen Gespräche am 6. Juni ist das eine. Fast noch mehr bereiten sich viele auf den zeitgleichen Gegengipfel vor. Dort wird neben vielen anderen prominenten Globalisierungskritikern auch Jean Ziegler sprechen. Den UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung will auch Ute Sattler hören. Ungewöhnlich deutlich spricht der hochrangige Diplomat aus, was nicht nur beim Gegengipfel, sondern auch in Heiligendamm einmal ausgesprochen werden sollte: »Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern weniger zu stehlen.«
Viele Afrikaner könnten das Gerede von Partnerschaft und Gleichberechtigung schon nicht mehr hören, weiß Sattler aus eigener Erfahrung, »denn vor Ort wird daraus doch nur Bevormundung und Ausbeutung«. Der Gipfel falscher Gutmensch-Mentalität sei das Wort »Patenschaft«. Sattler: »Menschen in Entwicklungsländern sind doch keine Kinder!«
Immerhin will Angela Merkel Afrika in den Blickpunkt rücken. Aber: Auch nach den großen Entschuldungsinitiativen muss ein Land wie Tansania fast die Hälfte seines Staatshaushalts für Zinsen aufbringen. Nur weil dort gottlob kein Krieg tobt - , wie in zahllosen anderen armen Länern - bleiben für Soziales gerade 15 Prozent.www.bielefeld-gegen-g8-gipfel.de

Artikel vom 27.04.2007