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Der Miele-Chef aus dem Internat

Reinhard Zinkann trifft Bernhard Bueb, seinen alten Lehrer aus Salem


Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Pünktlichkeit, Ordnung, Gehorsam, Fleiß - Bernhard Bueb (69), ehemaliger Leiter des Eliteinternates Salem, verkündet landauf, landab das »Lob der Disziplin«, so der Titel seines umstrittenen Werkes. Bei seinem ehemaligen Schüler. Reinhard Zinkann (47), geschäftsführender Gesellschafter des Gütersloher Hausgeräteherstellers Miele & Cie., legte er jetzt eine Zwischenstation ein.
Bueb selbst hält sein viel diskutiertes Buch gar nicht für so radikal. Er weiß ja, dass es sich um Sekundärtugenden handelt, die ihren Wert erst durch den Zweck erhalten, den sie erfüllen sollen. Und da gehe es nicht um den Tod fürs Vaterland oder die Eroberung neuen Lebensraumes im Osten: »Die Nazis haben die Sekundärtugenden missbraucht, pervertiert. Linke Pädagogen wollten sie anschließend komplett abschaffen.« Mit sichtbaren Konsequenzen. Bueb hält den heutigen Bildungsnotstand für die Folge eines Erziehungsnotstandes: »Was führt einen Menschen denn zu schulischem oder akademischem Erfolg? Es ist sein Selbstwertgefühl. Er glaubt an sich. Und das ist eine Folge richtiger Erziehung.«
Zinkann hat die Erziehung Buebs am eigenen Leibe erfahren. Er war seit 1969 Schüler in Salem, 1979 legte er unter seinem Lehrer und Erzieher Bueb das Abitur im Fach Theologie ab: »Herr Bueb war streng und fair. Ein toller Lehrer.«
Während einer Stippvisite in Gütersloh sahen sich Schüler und Direktor wieder. Das Buch hatte Zinkann auch gelesen - selbstredend: »Das ist Bueb pur auf 174 Seiten.« Die Aufregung um die Thesen Buebs ist für Zinkann nicht nachvollziehbar: »Bueb versteht Selbstdisziplin als die freiwillige Unterordnung, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Das muss ich an der Spitze die Miele-Konzerns täglich praktizieren, so wie alle Mitarbeiter des Unternehmens. In Feuerwehren und Rettungsdiensten wird darüber überhaupt nicht diskutiert.«
Zinkann trat im Alter von zehn Jahren ins Internat ein. »Meine Geschwister waren schwer erkrankt. Unser Haus glich einer Krankenstation mit permanenter Krankenschwester. Meine Eltern wollten, dass ich unter gesunden Kindern aufwachse. Darum ging ich nach Salem.« Bis zum Abitur habe er jede Menge Strafpunkte gesammelt, die er mal in der Küche, mal im Hof oder aber beim Waldlauf einlösen musste. Im Schulalltag habe die Furcht vor Strafen keine große Rolle gespielt. »Wer einen Bock schoss, hatte dafür gerade zu stehen. Man wählte eine angemessene Strafe aus, trat sie an und damit war es dann aber auch gut.« Reinhard Zinkann ist Vater eines elf Jahre alten Sohnes.

Artikel vom 27.04.2007