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Der einzige Gaijin im Orchester

Cellist Martin B. Stanzeleit liest und musiziert in der Capella hospitalis


Von Burgit Hörttrich (Text und Foto)
Bielefeld/Hiroshima (WB). Er ist der einzige ausländische Musiker im einzigen Berufsorchester der Region: der deutsche Cellist Martin B. Stanzeleit (36) spielt seit 1998 im Hiroshima Symphony Orchestra Die Stadt, die von der Atombombe 1945 fast ausgelöscht wurde, die aber zu neuem Leben erwacht ist, heute eine Million Einwohner hat und zu den schönsten Kommunen Japans gehört, hat Stanzeleit in sein Herz geschlossen. »Mein Hiroshima« heißt sein neues, zweites Buch, das er im Rahmen einer Musikalischen Lesung am Samstag, 12. Mai, in Bielefeld vorstellt.
Stanzeleit stammt aus einer Musikerfamilie. Sein Vater war Konzertmeister in Japan, seine Mutter ist Geigenlehrerin. Stanzeleit studierte an der Essener Folkwang-Schule. Dort lernte er seine Frau kennen - Pianistin und Japanerin. Bevor das Paar jedoch 1998 ins Land der aufgehenden Sonne zog, arbeitete Stanzeleit zunächst in Dänemark. »Ich lebe seit meinem 24. Lebensjahr im Ausland, bin kosmopolitisch veranlagt,« lacht er. Seine beiden Kinder, zehn und sieben, würden jedoch schon besser die japanische Sprache beherrschen als er selbst, meint er. Wie er sich als Fremder, als Gaijin, in Japan gefühlt hat, das hat Martin B. Stanzeleit in seinem ersten Buch »Neugierig auf Japan« geschildert. Er zeigt sein »neues« Leben von der humorvollen Seite, schätzt auch an den Japanern, dass diese über sich selbst lachen können. Vermeiden will er dennoch den Eindruck, dass das Einleben für ihn leicht und problemlos gewesen sei: »Ich wusste nicht, was die Leute denken.« In Japan müsse man lernen, »zwischen den Zeilen« zu lesen, direkte Kritik sei eine »Todsünde«. Inzwischen weiß Stanzeleit: »Wenn man einen Umweg findet, kann man auch zum Ziel kommen, ohne jemandem auf die Füße treten zu müssen.«
Sein neues Buch »Mein Hiroshima« ist eine Liebeserklärung an eine bunte, lebensbejahende Stadt. Stanzeleit zeigt, dass auch heute das Andenken an die Vernichtung der Stadt und ihrer Menschen eine Rolle spielt, dass es aber mehr zu entdecken gibt: »Geschichten, Legenden, Handwerkskunst, eine traumhafte Umgebung.« Für ihn sei Hiroshima eine Stadt, die ihn immer wieder aufs Neue überrasche. Stanzeleit: »Hier gibt es auch für mich noch viel zu entdecken.« Für sein Buch hat er sich zudem auf Spurensuche begeben nach dem, was - abgesehen vom »Atomic Dome«, bis August 1945 die Handelskammer der Stadt - noch geblieben ist vom »alten« Hiroshima: »Das ist mehr als man denkt.«
Mit dem Hiroshima Symphony Orchestra gibt er 60 (von insgesamt 120) Konzerte pro Jahr. Stanzeleit arbeitet zudem als Dozent an der Musikhochschule der Stadt und ist für das Sprachprogramm des nationalen japanischen Fernsehsenders NHK tätig. Obwohl er mit seiner Familie gern Urlaub in Japan mache (»In den Bergen, im Sommer ist Hiroshima unerträglich heiß«), reist er einmal jährlich nach Deutschland. Martin B. Stanzeleit: »Das hat auch etwas von Nostalgie, aber natürlich treffe ich gern auch Angehörige und alte Freunde.« Im Grunde gebe es nur eines, was er in Japan vermisse: »Knackig-frische Brötchen zum Frühstück.«
Seine Lesung lockert der Musiker natürlich auch musikalisch auf: mit Suiten für Violoncello von Johann Sebastian Bach und einer japanischen Komposition. Er weiß: »Die Zuhörer verarbeiten die Texte während der Musikstücke.«
l Martin B. Stanzeleit liest am Samstag, 12. Mai, um 18 Uhr auf Einladung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in der Capella hospitalis an der Teutoburger Straße.

Artikel vom 28.04.2007