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Zahnarzt zieht
falsche Zähne

Patientin soll 22 000 Euro erhalten

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Das Ziehen zweier falscher Zähne kommt einen Bielefelder Zahnarzt teuer zu stehen. Insgesamt 22 000 Euro soll der Dentist nach einem Vergleichsvorschlag des Landgerichts Bielefeld an die Patientin zahlen.

Die damals zwölfjährige Schülerin Tanja V. (Namen geändert) war am 19. April 2005 in Begleitung ihrer Mutter zur Behandlung in der Praxis erschienen. Nach Absprache mit dem Kieferorthopäden des Mädchens sollten insgesamt vier Milchzähne in Ober- und Unterkiefer extrahiert werden.
Zusätzlich hatte die Mutter an jenem Tag einen späteren Termin für die ältere Tochter Dunja (16) mit der Rezeption der Praxis vereinbart. Der Schwester sollten zwei Zähne im Unterkiefer, nämlich die Eckzähne gezogen werden.
Diese Terminvereinbarung sorgte in der Bielefelder Zahnarztpraxis offensichtlich für größte Verwirrung: Als Tanja auf dem Behandlungsstuhl Platz genommen hatte, lag dem Zahnarzt das Krankenblatt ihrer Schwester vor. Ohne Zögern und vor allem ohne klärende Nachfrage betäubte der Dentist das Mädchen mit einer Spritze örtlich, vollzog dann die Extraktion von zwei bleibenden Zähnen.
»Das ist ein fundamentaler Fehler, der schlechterdings nicht unterlaufen darf«, fällte nun der Detmolder Gutachter Dr. Mathias Plöger ein vernichtendes Urteil über den Bielefelder Kollegen. Plöger bejahte vor der 4. Zivilkammer des Bielefelder Landgerichts ohne Umschweife die Frage, ob es sich um einen »groben Behandlungsfehler« gehandelt habe. Ein Zahnarzt müsse sich, so der Sachverständige, stets vor einem Eingriff vergewissern, ob er gerade den richtigen Patienten behandele.
Für die heute 14-jährige Tanja hat der Missgriff des Dentisten weitreichende Folgen. Dr. Plöger hält in ihrem Fall das Einsetzen von zwei Implantaten für unerlässlich. Das sei jedoch erst im Alter von 18 oder 19 Jahren möglich, da das Wachstum des Kiefers abgewartet werden müsse. Der Gutachter schloss auf Nachfrage von Rechtsanwältin Heike Eimertenbrink Komplikationen nach einer Implantation - besonders bei einer solch jungen Patientin - nicht aus. Implantate halten nach derzeitiger Erfahrung bis zu 25 Jahren, bei entsprechender Pflege.
Das Landgericht unter Vorsitz von Volker Sprute schlug daher im Wege des Vergleichs eine weitere Zahlung von 18 000 Euro (4000 Euro hatte der Zahnarzt schon vorab gezahlt) vor. Heike Eimertenbrink: »Wir sind mit dem Gutachten sehr zufrieden und werden den Vergleichsvorschlag wohlwollend prüfen.« Az. 4 O 291/06

Artikel vom 26.04.2007