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Nur hier gibt's Suppe aus dem Humpen

Haus der offenen Tür am 6. Mai: Der »Erbsenkrug« feiert sein 150-jähriges Bestehen

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Fotos)
Schildesche (WB). Preisend mit viel schönen Reden, bei deftiger Suppe und schäumendem Bier feiert der »Erbsenkrug« sein 150-jähriges Bestehen. Das Haus an der Johannisstraße 11 stammt allerdings schon aus dem Jahr 1711.

Oder gar von 1709, aber das weiß heute niemand mehr so recht, wann die Witwe des Pfarrers Anton Seumenicht ihr letztes Domizil bezog. Ganz sicher aber hat sich das urige Fachwerkhaus seinen Charme aus alten Zeiten bewahrt - sogar die Ringe, an denen die Reitersleut' einst (und bis in die 70er Jahre hinein!) ihre Pferde anbanden, stecken noch im Mauerwerk.
Gerhild Schumann (46) und ihr Mann Herbert Groß (60), die das Traditionslokal seit 18 Jahren führen, haben vor nicht allzu langer Zeit eine Ehrenurkunde entdeckt. Sie wurde dem Gastwirt Arnold Lühr-Flachmann 1957 »zum 100-jährigen Bestehen der Gaststätte ÝErbsenkrugÜ« ausgestellt - und auf diese Angabe baut das Wirtsehepaar: 50 Jahre später, am 6. Mai, einem Sonntag, ist der »Erbsenkrug« ein Haus der offenen Tür, wo den Besuchern Erbsensuppe aus Bierhumpen serviert wird, aus denen oben die saftige Bockwurst lugt. Und dazu spielt die »Shadows Revival Band«.
»Mit 55 Plätzen ist das eine kleine Gaststätte, in dem keine Eventgastronomie stattfinden kann«, räumt Gerhild Schumann ein. »Aber die Jugend entdeckt doch wieder das Bodenständige.« Das herzhaft mit Westfälischem Schinken belegte Brot, die scharfe Pfeffersuppe (eine klare Brühe mit Bandnudeln und Rindfleisch), die Sülze oder - ganz fein - das Rinderfilet. Alles von heimischen Bauern, nichts aus der Tiefkühltruhe. »Unsere Bratkartoffeln mache ich von frisch gekochten Pellkartoffeln«, versichert Gerhild Schumann, die das Kochen bei Muttern lernte.
Nicht nur im Kaminzimmer, sondern auch in Schilskes erstem Biergarten von vor gut 30 Jahren (80 Plätze), serviert der »Erbsenkrug«-Wirt die Schnapspintken aus der Holzpantine. Die Grünkohlzeit liegt hinter uns - seit einer Woche ziehen Spargeldüfte durchs Gebälk. Kenner rühmen das Sommerfest, dessen kalt-warmes Büfett die Wirtin stets unter ein Motto stellt - spanisch vielleicht in diesem Jahr. Und auf Vorbestellung grillt sich der Gast sein Filet oder seinen Fisch selbst: »auf dem heißen Stein«, auf einer glühendheißen Platte direkt auf dem Tisch.
In den eigenhändig errichteten Hütten im Biergarten können kleine Gruppen feiern, Weihnachten ist »Après Ski« mit Glühwein und Punsch, und an Silvester ist hier, auf Anmeldung, geschlossene Gesellschaft. Aber jetzt ist erstmal Sommer, und da empfängt das Wirtspaar im »Erbsenkrug« ab 18 Uhr seine Gäste.
Was weiß die Historie über das Lokal zu berichten? Eduard Lakemann, ein früher Schilsker Heimatforscher, der das 19. Jahrhundert noch erlebt hat, schreibt in seinen dreibändigen Erinnerungen, das Haus sei 1822 an den jüdischen Handelsmann Aron Heine verkauft worden. 1857 veräußerte er es an den Holzschuhmacher Johann-Dietrich Flachmann, der später einen kleinen Handel aufzog und für seine erstklassigen Trockenerbsen gerühmt wurde.
Flachmann, der seinem Namen alle Ehre machte, spätestens seit er unter dem Tresen Selbstgebrannten feilbot, erhielt im März 1872 die Schankkonzession - Erbsen und (Bier-)Krug fanden zueinander. Heute nisten Rotkehlchen in der Efeu-Wand, Eichhörnchen flitzen vom nahen Pfarrgarten herbei, im vergangenen Jahr schaute von sicherer Warte herab sogar ein Käuzchen dem munteren Treiben in der »Erbse« zu.
Manche Gäste radeln weit, um hier einzukehren. Nur dass Posthalter Disselhorst öffentlich aushängt, was die Erbsen kosten, dass »Disselhorst schriwt up de Post, wat Flachen sine Jafte kost«, das gehört der Vergangenheit an . . .

Artikel vom 28.04.2007