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Die Wandlung
vom Fußballer
zum Läufer

Reins wird am Hermannslauftag 34

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). »Der Hermann«, doziert Oliver Reins, »ist wie ein Pokalspiel. Alles ist möglich.« Reins weiß, wovon er spricht. Schließlich war der Fan des FC Bayern München in seinem »früheren Leben« Fußballer - neun Jahre beim Bezirksligisten VfL Ummeln mit einem Abstecher (2000) zum Klassenkonrrenten VfL Schildesche - ehe er 2003 im fortgeschrittenen Alter als 30-Jähriger in die Läufergilde der SV Brackwede übersiedelte.

»Ich war als zentraler Sechser dazu verdonnert, viel Laufarbeit zu verrichten.« Die Sonderaufgabe der Kämpfernatur: die gegnerischen Spielmacher auszuschalten. Das tat er mit Hingabe. »Nach 70 Minuten waren die dann kaputt,« grinst Reins. Ausschlag gebend für seinen jähen Abschied von Rasen und Schlacke war ein Zerwürfnis mit seinem damaligen Trainer Frank Fulland. Sechs Wochen später absolvierte er seinen ersten Crosslauf. Heute ist Oliver Reins amtierender Westfälischer Crossmeister!
Das Schöne an der Sportart Laufen sei das Kompromisslose. »Du kannst dich nicht hinter zehn anderen verstecken. Wenn du gut bist, bis du gut. Wenn du schlecht bist, bist du schlecht. Du kannst deine Leistung objektiv an Zeiten messen. Wer Leistung bringt, ist vorne.« Angesichts des Aufwandes, den Läufer für dieses Ziel betreiben würden, seien Fußballer »faule Säcke.«
Dass der 36. Hermannslauf in diesem Jahr auf den 29. April fällt, birgt für Reins ein nettes Schmankerl: Er feiert seinen 34. Geburtstag. Nach Platz sieben, drei und sechs (»Das Abschneiden war angesichts starker Konkurrenz höher zu bewerten«) in den drei Vorjahren möchte er sich bei seiner vierten Teilnahme möglichst »selbst ein schönes Geschenk machen.« Genauer: Eine Topleistung soll her, gerne wieder ein Rang unter den ersten Sechs. »Ich versuche möglichst viele einzusammeln. Eine Zeit von unter 1:52 Minuten wäre nicht schlecht.«
Für Oliver Reins stellt der Ehberg ziemlich am Anfang schon den »Knackpunkt« dar. »Das ist die längste Steigung. Viele begehen den Fehler, dort zu schnell zu laufen.« Das koste Power. »Da verlierst du entscheidende Körner, die du hinten nicht mehr auspacken kannst.«
Im vergangenen Jahr trug Reins die Startnummer 3 auf den sechsten Platz (1:52:28 min). Sechseinhalb Minuten trennten ihn 2006 vom Gewinner Elias Sansar (TuS Eintracht), den er wohl auch diesmal nicht wird packen können. »Elias ist arbeitslos und kann immer trainieren, wann er will. Mit fehlen die Einheiten.« Reins bildet eine »Ein-Mann-Abteilung« in der Firma Böllhoff. Der Zerspaner ist für den Musterbau zuständig und hat (ab fünf Uhr morgens) einen Zehn-Stunden-Arbeitstag intus, wenn er hinterher zum Training eines seiner zehn, elf Laufpaare bindet. »Ich trage nie zweimal hintereinander dasselbe Paar Schuhe, um eine Fuß-Fehlstellung zu vermeiden.«
Wohl ein Tipp von SVB-Lauftrainer Udo Brandt-Hüdepohl. Dem glückte es, das Potenzial des Ummelners in die richtigen Bahnen zu lenken. Seither veränderte sich der 71 kg schwere, muskulöse Fußballkörper. Heute wiegt der drahtige Ex-Kicker noch 60 Kilogramm und wandelt in den Fußstapfen seiner Eltern Erika und Norbert, beide ebenfalls erfahrene Hermannsläufer. »Udo ist ein Bombentrainer. Er hat Riesenanteil an meiner Entwicklung,« weiß Reins, dass die längerfristig angelegten Trainingspläne und der regelmäßige Austausch gefruchtet haben und immer noch fruchten.
Dass er nicht mehr Fußball spielt, hat Oliver Reins nie bereut. »Ich laufe jetzt in der 2. Liga. Beim Fußball habe ich es nur bis in die Bezirksliga gebracht.« Schon kurz nach seinem Einstieg, 2004, gewann Reins den Runners Point Night Cup und den Active Cup. Die Vereinsbestenliste der SV Brackwede weist ihn als Rekordhalter über 10 000 Meter aus (32:42:80 min). Hinter Marcus Biehl, der inzwischen für den Laufladen Endspurt startet, steht der Ex-Fußballer in den SVB-Annalen auf Platz zwei im Halbmarathon (1:11:38 Stunden, Berlin) sowie im 10 km-Straßenlauf (33:19 min). Hinter Biehl und Boris Pieper glückte Reins 2005 in Berlin zudem die drittschnellste Marathonzeit (2:39:20 Std.).
Im Vorjahr gewann Oliver Reins mit der 1. Mannschaft der SV Brackwede die Hermannslauf-Teamwertung. Reins, Axel Fischer, Boris Pieper, Thorsten Krüger und Wolfgang Wellensiek standen mit 9:38:46 Stunden zu Buche, vor der Elite des TuS Eintracht (9:49:03 Std.). Weil diesmal mit Pieper, Krüger und Fischer »drei Granaten« fehlen, hebt Reins die Crew von Non-Stop-Ultra Brakel auf den Favoritenschild.
Hermannslauf im April: Das bedeutet auch, dass Oliver Reins seit dem 1. Januar in seiner Ummelner Stammkneipe Birkenklause »nicht mehr großartig« Alkohol getrunken hat. »Dafür lasse ich es danach richtig krachen. Wie es ein ehemaliger Fußballer nun mal tut.« Aufs erste Geburtstags-Weizenbier freut er sich schon. Und auf eine deftige Currywurst.
Für abenteuerliche Geschichten ist Reins immer zu haben. Im vergangenen Jahr etwa radelte er »aus einer Weizenlaune« zusammen mit seinem Schwiegervater Thomas Klarhorst den Drei-Länder-Giro mit. Ein 168 Kilometer langer Alpenmarathon. »26 Kilometer nur bergauf. Von 900 auf 2600 Höhenmeter. Da weißst du aber, was du getan hast.« Acht Stunden dauerte die Tort(o)ur. Reins kämpfte sich natürlich durch, doch hinterher entschied er für sich: »Ein Mal und nie wieder.«
Sein erster Wettkampf nach dem »Hermann« wird am 20. Mai die OWL-Bahnmeisterschaft in Paderborn sein. Dem Frühjahrsklassiker »Hermann« folgt als Höhepunkt im Herbst die Teilnahme am Münster-Marathon (9.9.).

Artikel vom 28.04.2007