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Ein Alptraum, der
nicht mehr enden will

»Inland Empire« von Kultregisseur David Lynch

Das Leben ist ein einziges Rätsel - solche Zitate sind genau nach dem Geschmack des US-Kultregisseurs David Lynch und tauchen folgerichtig zuhauf in seinem neuen Film »Inland Empire« auf. Das Rätselhafte bildet die Quintessenz seiner Werke. Diesmal hat es der Meister der Abstraktion auf die Spitze getrieben.

Lynch drehte einen im wahrsten Sinne des Wortes nicht endenwollenden experimentellen Alptraum. Eine stringente Handlung erwartet ohnehin kaum jemand, der das Werk des 61-jährigen Filmemachers kennt. Bei den Filmfestspielen von Venedig bekam der »Meister fürs Abseitige« im vergangenen Herbst den »Goldenen Löwen« für sein Gesamtwerk.
»Lost Highway« (1997), »Mulholland Drive« (2001) und nicht zuletzt »Twin Peaks« (1990-1992) überzeugten die Fangemeinde mit verstörenden, aber dennoch vereinnahmenden Bildern, mit bizarren Gestalten und Handlungen und mit dem ständigen, oft nicht mehr durchschaubaren Wechsel zwischen Traum und Realität - Arthouse-Kino eben.
All das hat auch »Inland Empire« zu bieten. Wie schon in »Mulholland Drive« ist vordergründig das Filmgeschäft in Hollywood das Thema: wo Stars Träume machen und Träume Stars machen.
Die Schauspielerin Nikki Grace (Laura Dern) bekommt eine Rolle in Kingsley Stewarts (Jeremy Irons) neuem Film. Es handelt sich um ein Remake - das Original wurde nie fertiggestellt, weil offenbar ein Fluch darauf lastete: Beide Hauptdarsteller starben. Wie im Drehbuch entwickelt sich zwischen Nikki und ihrem Schauspielkollegen Devon Berk (Justin Theroux) eine verhängnisvolle Affäre. Beide sind mit eifersüchtigen Partnern verheiratet, können sich der gegenseitigen Anziehung aber nicht entziehen. Die Begierde ist mit Händen zu greifen, ein blutiges Ende programmiert.
Diese durchaus griffige Geschichte um den schnell von Angst überlagerten Dreh und eine amour fou ist in ein wahres Erzähllabyrinth aus Sequenzen auf polnisch, den bei Lynch üblichen Gewaltvisionen, einer wiederkehrenden surrealen Hasen-Sitcom und etlichen anderen Nebenhandlungen verpackt. Darin verschwimmen Zeitebenen, Perspektiven, Wahrheit und Fiktion. Der Zuschauer verirrt sich, verliert die Orientierung in düsteren Bildern und einer geheimnisvollen Atmosphäre - was für eine Weile durchaus seinen Reiz hat.
Aber bei einer Filmlänge von fast drei Stunden dürfte selbst eingefleischten Fans, die sich bereitwillig in einen Lynch-Film fallen lassen wollen, die Kraft, bis zum Ende durchzuhalten, ausgehen. Die Dialoge werden immer kryptischer, das permanente Spiel, auf Fragen mit Gegenfragen zu reagieren, ermüdet. Die losen Enden und bezuglosen Déjà-vus nehmen überhand.
Die Entstehungsgeschichte von »Inland Empire« spricht Bände: Alles habe damit begonnen, dass Lynch vor etwa drei Jahren mit Laura Dern, seinem Star aus »Blue Velvet« (1986) und »Wild At Heart« (1990), einige Szenen drehte, die er für sie geschrieben hatte. Zweifellos bewundernswert ist die Laura Derns schauspielerische Leistung: Ihre Panik, ihre Wut, ihre Verlorenheit sind von beispielloser Intensität.

Artikel vom 26.04.2007