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Zwölf Celli und elf bunte Krawatten

Cellisten der Berliner Philharmoniker überzeugten in der Oetkerhalle

Von Julia Husmann
Bielefeld (WB). Wer vorher nicht schon wusste, dass das Violoncello den größten Sexappeal aller Instrumente hat, der erfuhr es am Montagabend in der Oetkerhalle.

Wenn die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker die geschwungenen Hüften ihrer glänzenden Schönheiten zwischen die Knie legen, beginnt nicht über zwei Stunden lang nur einheitlich wohlklingendes Rühren in vollen Celloklängen, sondern die gekonnte Beherrschung der Differenzierung, und erst hierin kann das Instrument die ganze Sinnlichkeit seiner Klangbreite zeigen. Von Debussy- Mendelssohn- und Arvo Pärt-Bearbeitungen über Piazzolla bis hin zu einem zweiten Teil, der sich ganz der Filmmusik widmete, war geschickt ein abwechslungsreiches Programm gewählt, das das Instrument vorsichtig aus seiner vertraut klassischen Bestimmung löste, bis dass sein ganzer Korpus Perkussions- und ungewöhnlichen Bogenstricheffekten diente.
Der wie eins erscheinende und doch in zwölf Facetten aufgefächerte Celloklang schwebte in der sanften Schwester des Tangos, der Milonga, samtig nieder, malte betörend Debussys versunkene Kathedralen mit den Rändern seines breiten Pinsels, sang im himmlischen Sopran-Terzett schlicht tenoral-französische Schola und gab sich vollklingend italienischer und argentinischer Vibration hin.
Vermochte das Cello im ersten »Engelstänze« genannten Teil mit mutig zarten und blitzsauberen, bis an den Rand der Dynamik geführten Akkorden nicht schon ganz verführen, so tat es das vollends mit Humor, schauspielerischer Vielseitigkeit und mitreißendem Temperament im zweiten Teil. Hier sang es noch einmal mit Sam in Casablanca, falsettierte es Elvis Presley, tapste es brummig als Balu der Bär und kreischte es dissonant das Lied vom Tod.
Kein musikalischer Spaß, kein geschickt balanciertes Übernehmen von leicht hingeworfenen, und doch durchaus virtuosen Motive, kein ständig wechselndes Miteinander, und keine Lautmalerei hätte das Publikum so zu Begeisterungsstürmen hingerissen, wenn es nicht technisch so einwandfrei geboten worden wäre wie bei diesem Celloregister eines der besten Orchester der Welt.
Nicht erst durch ihre ostereierbunten Krawatten und eine Blume auf ihren schwarzen Anzügen vermochten die elf Herren nebst einer Dame deutlich zu machen, dass die stilistische Vielfältigkeit deshalb so befreiend war, weil ihre souveräne Beherrschung kein Abgleiten in eindimensionalen Melodiegenussausverkauf zulässt.

Artikel vom 25.04.2007