25.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Autor zwischen Punk
und Preisträger-Literatur

André Kubiczek erhält am 1. Mai den Candide-Preis

Von Hartmut Horstmann
Minden (WB).Ê André Kubiczek ist ein Spieler. Ein Autor, der das Risiko nicht scheut, derÊunterschiedliche literarische Stile und Klischees erprobt. Am 1. Mai erhält der in Berlin lebende Schriftsteller den mit 7500 Euro dotierten Mindener Candide-Preis.
André Kubiczek wird in Minden ausgezeichnet.

Bei der Auszeichnung handelt es sich um den renommiertesten Literaturpreis der Region. Eine größere Beachtung wurde ihm vor zwei Jahren zuteil, als der Literarische Verein Minden Daniel Kehlmann nominierte - und damit ein Talent erkannte, das Monate später mit dem Roman »Vermessung der Welt« die deutschen Bestsellerlisten anführen sollte.
Es liegt nahe, an dem Erfolgsgespür der Jury alle nachfolgenden Preisträger zu messen. Doch hieße dies, dem 1969 in Potsdam geborenen André Kubiczek mit falschen Erwartungen zu begegnen. Drei Romane hat er bisher veröffentlicht, und die Kritiker sind sich erfrischend uneinig. Während das in der DDR-Endzeit spielende Debüt »Junge Talente« überschwänglich gelobt wurde, scheiden sich an den beiden Nachfolgern die Geschmacksgeister dieser Republik. Eines indes wird Kubiczek niemals vorgeworfen: langweilig zu sein.
»Es liegt ein Grauschleier über der Stadt«: Dieses Zitat der deutschsprachigen Band Fehlfarben ist den »Jungen Talenten« vorangestellt. Es lässt erahnen, wo der Autor seine jugendkulturellen Wurzeln hat, die HandlungÊ führtÊ von der Punk-Szene zum Prenzlauer Berg. Deren ökogeprägte Vertreter taucht Kubiczek in ein karikierend grelles Licht - sicher auch Ausdruck einer jugendlichenÊ Abgrenzung gegen die ewigen Bescheidwisser.
Des Autors Affinität zur bewusst klischeehaften Überzeichnung prägt den 2003 erschienenen Roman »Die Guten und die Bösen« - ein Berlin-Roman der finster-spöttischenÊ Art, der unter anderem in der Medienwelt spielt. Ein Kolumnist heißt Börries Freiherr von Stammler, ein Detektiv Raymond Schindler. Es ist schwer, eine derartige Trash-Satire unangestrengt durchzuhalten - und Kubiczek beweist Können, unterliegt aber auch der Gefahr, zuviel auf einmal zu wollen.
Das gleiche Urteil lässt sich aufÊ die aktuelle Publikation »Oben leuchten die Sterne« übertragen. Gelungen die Beschreibung des nachakademischen Prekariats. Die Langzeitstudenten, die Noch-nicht-Erwachsenen, zu deren notwendigen Begleitern die Aspirin-Tabletten gehören, die sie nach jeder durchtrunkenen Nacht einwerfen. Doch der Autor will den ganz großen DDR-Inhalts- und Spannungswurf, legt Fährten, die bis zum 17. Juni 1953 zurückreichen. Das erzählerische Wagnis droht zu zerfasern - auch hier: viel Talent, leider nicht frei von Kolportage.
Trotz mancher Kritikpunkte ist der Literarische Verein zu seiner Nominierung zu beglückwünschen. Der nach Voltaire benannte Candide-Preis geht an einen mutigen Schriftsteller, der ein großes Potenzial besitzt. Zwischen PunkÊ und Feuilleton wird André Kubiczek seinen Weg gehen, kein Bestseller-Autor werden, sondern (hoffentlich) ein Unangepasster bleiben.
Der Candide-Preis wird am 1. Mai von 10.30 Uhr an in der Mindener Domschulaula, Immanuelstraße 2, verliehen. Die Romane André Kubiczeks sind im Rowohlt-Verlag erschienen.

Artikel vom 25.04.2007