27.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Ideenreich und im besten Sinne alternativ sind die Vorschläge von
unten für oben.«

Leitartikel
Die G-8 und ihre Kritiker

Vorsorge
vor dem Gipfelsturm


Von Reinhard Brockmann
Die höchste Erhebung in Mecklenburg-Vorpommern misst gerade 179 Meter Seehöhe und taugt nicht zum Gipfel. Ganz anders die blütenweißen, hochherrschaftlichen Gebäude in Heiligendamm. Vom 6. bis zum 8. Juni treffen sich in der von Friedrich Franz I. 1796 gegründeten Weißen Stadt am Meer die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands.
Alle Vorbereitungen sind weitgehend abgeschlossen, hinter dem zwölf Kilometer langen martialischen Zaun sowieso und außen vor - sowohl bei der extra eingerichteten Polizeieinheit »Kavala« als auch in der Protestszene.
Wer die Aufmärsche von 1. Regierenden, 2. Schützenden und 3. Demonstrierenden jedoch als reines Kräftemessen sieht, greift zu kurz. Nicht nur Merkel, Bush und Co. haben einen Plan für diese Welt, sondern deren Basis auch. Friedensgruppen, christlich Bewegte, global Engagierte und viele im Kleinen Hochmotivierte haben etwas beizutragen im Ringen um eine bessere, eine gerechtere Welt.
Allerdings: Das Gipfelplateau ist tabu. Dennoch werden und müssen sie eine Plattform finden, denn zu ideenreich und im besten Sinne alternativ sind die Vorschläge von unten für oben.
Schon am Wochenende zuvor, dem 2. Juni, werden Gipfelkritiker in Rostock unter dem Motto »Eine andere Welt ist möglich« Flagge zeigen. Für sie ist die Gruppe der Acht eine Institution ohne Legitimation: Wir sind das Volk!
Beim Gegengipfel in Rostock vom 5. bis 7. Juni werden sie »lebenswerte Alternativen« vorstellen. Allein im Camp der Gipfelgegner bei Bad Doberan können 15 000 Menschen ihre Zelte aufschlagen.
Das Kernproblem: Schon die Veranstalter der Großdemonstration sind uneins in der Gewalt-Frage. Attac und Greenpeace bekräftigten diese Woche in Berlin noch den »prinzipiell friedlichen Charakter« der Demonstration, räumten aber ein, dass es innerhalb des Bündnisses unterschiedliche Meinungen dazu gebe.
Kurzum: Sie legen die Hand für die Friedfertigkeit aller Teilnehmer nicht ins Feuer. Manche meinen, sie spielten sogar ein wenig damit.
Einzelne radikale Gruppen begrüßen offen und ungestraft jede Form des Protestes - auch gewalttätige: »Alle Aktionsformen sind auf ihre Art legitim«, ließ sich der Vertreter der linksradikalen »Interventionistischen Linken«, Benjamin Laumeyer am Dienstag in Berlin zitieren. Gewalt lehnt er »nicht grundsätzlich« ab. Laumeyer schlug dabei die »effektive Behinderung durch Massenblockaden» der Zufahrtsstraßen vor...
Nur gut, dass die weit überwiegende Mehrheit der Initiatoren nicht Randale, sondern bunte, intelligente und mitunter witzige Formen der Debatte will.
Leider können sich noch so viele Friedvolle auch nur wenige Gewaltbereite vom Hals halten. Das zeigt die Demo-Praxis immer wieder.
Es wäre fatal, wenn statt der alternativen Botschaft von einer besseren Welt Fernsehbilder von Vermummten und Steinewerfern über die Sender gingen.

Artikel vom 27.04.2007