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LKA fürchtet Fluchtversuch:
Gericht wird zur Festung

Panzerglas und Straßensperren sollen Prozess sichern

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Straßensperren, Panzerglas, SEK-Beamte - nie dagewesene Sicherheitsvorkehrungen hat das Landgericht Detmold für einen Prozess angeordnet, der am 10. Mai beginnt. Verhandelt wird gegen Robert J. (35) - einen Angehörigen der Volksgruppe der Sinti, dem schwerer Raub mit Waffen vorgeworfen wird.

Die Straftat liegt zehn Jahre zurück: Am 26. März 1997 drangen vier Männer in Lemgo in das Haus eines wohlhabenden Ehepaares ein. Sie trugen Pistolen und drohten der allein anwesenden Hausangestellten, sie zu töten, sollte sie schreien. Dann verklebten sie der Frau Mund und Augen und banden ihr die Hände auf den Rücken. Einer der Männer bewachte die Haushälterin, die anderen durchsuchten das Anwesen. Sie erbeuteten Kfz-Briefe, Schmuck, Sparbücher und einen Scheck über 253 000 Mark (129 357 Euro).
Die Räuber hatten den Tatort offenbar längere Zeit ausgekundschaftet, denn Polizisten fanden Zigarettenkippen, die sie den Männern zurechneten. Später entdeckten Zeugen auf dem Autobahnrastplatz »Fuchsgrund« bei Porta Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke) in einem Mülleimer Masken und Handschuhe der Räuber. »Damals war die DNA-Technik allerdings noch nicht so weit wie heute«, sagt Oberstaatsanwalt Dieter Varnhold aus Detmold. Die Ermittlungen waren deshalb 1997 eingestellt worden.
2003 kam das Verfahren wieder in Gang: Ein Abgleich der DNA-Spuren mit der DNA-Datenbank beim Bundeskriminalamt ergab, dass Sinti Giovanni W. an dem Raub beteiligt gewesen sein musste. Weitere Ermittlungen führten zu Armin K. sowie Robert N. Der vierte Mann konnte bislang nicht ermittelt werden.
Die Verfahren gegen Giovanni W. und Armin K. sind eingestellt worden, da die Männer bereits wegen anderer Straftaten in Haft sitzen: Giovanni W. verbüßt 13 Jahre und elf Monate mit anschließender Sicherungsverwahrung, Armin K. elf Jahre mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Diese beiden Schwerverbrecher sollen nun im Mai im Prozess als Zeugen gegen ihren damaligen mutmaßlichen Komplizen Robert J. aussagen. Das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen, in dessen Bereich die beiden in Haft sitzen, fürchtet, dass die Männer die Gerichtsverhandlung in Detmold zur Flucht nutzen könnten - weil sie kaum eine Chance haben, jemals wieder in die Freiheit entlassen zu werden. Zudem sehen die LKA-Experten das Leben eines weiteren Zeugen gefährdet, der aus der Sinti-Sippe des Angeklagten stammen soll und inzwischen im Zeugenschutzprogramm des LKA lebt. Ein Ermittler sagte, es gehöre zum Ehrenkodex von Sinti, nicht gegeneinander auszusagen.
LKA-Beamte haben sich das Landgerichtsgebäude bereits angesehen. Es ist geplant, dass die beiden Schwerverbrecher von Spezial-Einsatzkommandos aus ihren niedersächsischen Haftanstalten nach Detmold begleitet werden. Diese Kräfte sollen auch die Bewachung der Zeugen und des Angeklagten im Gerichtssaal übernehmen. Vor den Zuschauerbänken sollen erstmals Panzerglasscheiben aufgestellt werden, um Angriffe auf Zeugen zu verhindern. Zudem ist geplant, während des Prozesses die Straße zu sperren, auf die die großen Fenster des Schwurgerichtssaals gehen. So soll ausgeschlossen werden, dass jemand von außen versucht, den Angeklagten oder die beiden Hauptzeugen zu befreien.
Das Urteil soll am 1. Juni gesprochen werden.

Artikel vom 24.04.2007