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»Jetzt hat's beim Trainer nicht gepasst«

Middendorp stellt sich Medien und Mannschaft - Der 48-Jährige war »absolut fahruntüchtig«

Von Dirk Schuster
und Arndt Wienböker
Bielefeld (WB). Zuschauer kamen weniger als erwartet, dafür war das Medieninteresse um so größer. Im Fokus: Ernst Middendorp. Die gestrige Übungseinheit an der Friedrich-Hagemann-Straße war der erste öffentliche Auftritt des Arminia-Trainers seit bekannt wurde, dass ihn die Polizei in der Nacht zum Sonntag stark alkoholisiert in seinem Pkw auffand.

Auf dem Sportplatz wirkte Middendorp wieder frisch und ausgeruht. Gegenüber dieser Zeitung hatte er angegeben, sich in besagter Nacht »müde und kaputt« gefühlt zu haben. Dem Trainer droht ein längerer Entzug der Fahrerlaubnis. Die Polizei hatte bei Middendorp einen Alkoholwert festgestellt, der über der Marke der absoluten Fahruntüchtigkeit, 1,1 Promille, lag. Auf der Polizeistation in Halle wurde dem 48-Jährigen eine Blutprobe entnommen, mit dem Ergebnis wird noch in dieser Woche gerechnet. Von der Wache brachte ein Taxi den Trainer ins Haller Sportparkhotel, wo er eine Suite bewohnt.
Gestern brauchte Middendorp kein Taxi. Frank Eulberg, in den vergangenen drei Jahren Middendorps Assistenztrainer sowohl im Iran als auch zuletzt bei den Kaizer Chiefs in Johannesburg, fuhr den Chefcoach um Punkt 16.30 Uhr bis direkt vor die Umkleide. Eulberg, mit Middendorp befreundet, wird in den nächsten Wochen aber nicht nur sein Fahrer, sondern auch sein Scout sein. Der 44-Jährige (verheiratet, zwei Töchter) hatte bereits die Beobachtung des VfL Wolfsburg übernommen. »Das bot sich an, meine Familie und ich leben in Wolfsburg.«
Genau so offensiv, wie Middendorp seine Mannschaft in der Schlussphase des Spiels in Wolfsburg (3:2) agieren ließ, ging der Trainer gestern vor den Journalisten mit seiner Situation um. »Wenn Abläufe nicht passen«, sagte er, »dann werden sie angesprochen. Jetzt hat es beim Trainer nicht gepasst, also muss ich das gegenüber der Mannschaft auch erwähnen. Das bin ich schon allein dem alten Sack Jörg Böhme gegenüber schuldig. Und wer weiß, vielleicht bringt uns alle das noch näher zusammen.« Middendorp sprach's und zog sich zu den Spielern in die Kabine zurück.
Mannschaftskapitän Mathias Hain, der nach seinem in Wolfsburg erlittenen Schleudertrauma ebenso wie Fatmir Vata nach auskurierter Bronchitis mittrainieren konnte, bestätigte, dass Middendorp vor der Mannschaft eine kurze Ansprache gehalten habe. Auf die Frage, wie die Reaktion der Spieler auf Middendorps Fehlverhalten ausgefallen sei, bemühte Hain ein Zitat aus der Bibel: »Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.« Man solle, meinte Hain, den Mann nicht an den Pranger stellen. »Wir haben Wichtigeres zu tun.«
So sieht das auch Präsident Hans-Hermann Schwick, der gestern noch einmal betonte: »Ernst Middendorp bleibt unser Trainer. Das ist eindeutig, und es wird kein Weg daran vorbei führen.« Vor möglichen vereinsinternen Konsequenzen wollen die Bielefelder Verantwortlichen das Ergebnis der Blutprobe abwarten.
»Diese Sache wird nicht zum Hauptthema hochstilisiert. Unsere ganze Konzentration gilt dem Kampf um den Klassenverbleib«, sagte Schwick. Middendorp selbst hatte die Kluboberen von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt und seinen Rücktritt angeboten (wir berichteten gestern).
Hans-Hermann Schwick, von Beruf Rechtsanwalt, hat das Mandat angenommen. Er wird als Ernst Middendorps Rechtsbeistand fungieren. Noch ungeklärt ist, ob dem 48 Jahre alten Trainer sein Vergehen als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit ausgelegt wird. Die Blutprobe und die Anhörung Middendorps durch die Polizei sind entscheidend: Sollte das Vergehen als Straftat eingestuft werden, hätte die Sache ein Nachspiel vor Gericht.

Artikel vom 24.04.2007