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Handwerk wirbt
um Mädchen

Donnerstag ist wieder »Girls' Day«

Bielefeld (WB). Mädchen sind in technischen Berufen und am Bau nach wie vor unterrepräsentiert. Damit sich dies ändert, gibt es unter anderem am Donnerstag den »Girls' Day«. Bernhard Hertlein sprach mit der ersten und einzigen Präsidentin einer deutschen Handwerkskammer, Lena Strothmann, über die Situation der Mädchen in Handwerk.
Kammerpräsidentin Lena Strothmann. Foto: Pierel

Warum gibt es einen Girls' Day? Lena Strothmann: Weil immer noch zu wenige Frauen in technischen Berufen unterkommen. Insgesamt liegt der Anteil der Mädchen bei den Auszubildenden im Handwerk in OWL über 23 Prozent - Tendenz steigend. Aber bei technischen Berufen sind sie stark in der Minderheit. Der Girls' Day bietet die Möglichkeit, in unbekannte Berufe hineinzuschnuppern, sich zu orientieren und Technik auszuprobieren.
Braucht die Wirtschaft mehr Mädchen? Strothmann: Selbst typische Männerberufe profitieren, wenn in der Belegschaft auch Mädchen mitarbeiten. Taucht eine Frau auf, ändert sich sofort der Ton. Der Arbeitsstil wird ein anderer. Männer haben den so genannten Tunnelblick: Sie konzentrieren sich ganz auf eine Sache. Frauen sehen eher das Ganze. Was gibt es Besseres, als wenn Beide zusammenkommen?
Außerdem haben Frauen oft den besseren Schulabschluss. Im Handwerk schneiden die Mädchen bei Gesellen- und Meisterprüfungen und auch bei den überregionalen Leistungswettbewerben besser ab. Angesichts des sich anbahnenden Fachkräftemangels kann es sich die deutsche Wirtschaft nicht mehr erlauben, Frauen bei der Ausbildung zu vernachlässigen.

In welchen Handwerksberufen sind die Mädchen noch unterrepräsentiert?Strothmann: Kfz-Mechaniker, Feinwerkmechaniker, Mechatroniker, Elektroniker und Anlagenbauer. Auch am Bau sind die Mädchen größtenteils noch in der Minderheit. In mindestens einem Beruf, der früher für Mädchen tabu war, haben sie sich aber durchgesetzt: Im Tischlerhandwerk ist weniger Kraft als viel mehr Kreativität gefordert.

Und die typischen Mädchenberufe?Strothmann: Fachverkäuferin, Friseurin, Kosmetikerin, Fotografin. Außerdem die Gesundheitsberufe, also Augenoptikerin, Hörgeräteakustikerin, Zahntechnikerin. Generell fehlen Mädchen und Jungen Informationen über die Vielfalt der Berufswege. Im Durchschnitt kennt der Bundesbürger nicht mehr als zehn Handwerksberufe.

Besondere Anforderungen wie eine Extra-Toilette für das eine Mädchen sind kein Thema mehr?Strothmann: Nein.
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Es gibt keinen Boys' Day. Nehmen die Jungs den Girls Day' einfach so hin?Strothmann: Es hat tatsächlich Proteste gegeben. Das ist interessant. Plötzlich revoltiert das männliche Geschlecht und fordert Gleichberechtigung. Ich nehme nicht an, dass es daran liegt, dass der Girls' Day für die teilnehmenden Mädchen schulfrei ist. Auf jeden Fall gibt es unter dem Titel »Neue Wege für Jungs« auch ein projekt für die jungen Männer. Sie können und sollen in Berufe hineinschnuppern, die bislang noch als »mädchenhaft« gelten. Das Projekt hinterfragt kritisch das männliche Rollenbild und will ein neues, mehr partnerschaftliches Bewusstsein schaffen.

Artikel vom 24.04.2007