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RAF-Akten werden gesichtet

Schäuble ordnet umfassende Untersuchung der neuen Informationen an

Berlin (Reuters). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat gestern eine umfassende Untersuchung zu neuen Informationen über die Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch die linksradikale Rote Armee Fraktion (RAF) angeordnet.
Stefan Wisniewski 1977 auf einem Polizeifoto.
Nach Angaben seines Sprechers Stefan Kaller wies Schäuble Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz an, ihre Akten erneut zu sichten und in Gesprächen mit Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden »eine gründliche Sachaufklärung vorzunehmen«.
Das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste wird sich bereits morgen mit den neuen Angaben zum Mord an Buback vor 30 Jahren befassen. Die Bundesregierung kündigte eine vollständige Aufklärung an. Ihr Sprecher Ulrich Wilhelm sagte, das Vorgehen Schäubles sei mit Kanzlerin Angela Merkel abgestimmt. Voreilige Schlussfolgerungen dürfe es aber nicht geben.
Eine Sprecherin des Justizministeriums betonte, Generalbundesanwältin Monika Harms befasse sich als oberste Anklägerin mit den neuen Erkenntnissen und werde entscheiden, ob sie neue Ermittlungen einleiten müsse.
Einem »Spiegel«-Bericht zufolge haben Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt BKA Informationen zu den Tätern zurückgehalten.
Demnach berichtete das frühere RAF-Mitglied Verena Becker dem Inlandsgeheimdienst Anfang der 80er Jahre, ihr Ex-Kampfgenosse Stefan Wisniewski sei der Todesschütze beim Buback-Attentat gewesen. Damit würden bisherige Annahmen, auf denen Lebenslang-Urteile gegen die früheren RAF-Mitglieder Christian Klar und Knut Folkerts beruhten, in Frage gestellt.
Zudem sollen die Behörden durch Aussagen der RAF-Aussteigerin Silke Maier-Witt schon seit Beginn der 90er Jahre Hinweise darauf besessen haben, dass Folkerts sich am Tattag in den Niederlanden aufgehalten habe.
Der frühere Verfassungsschutzpräsident Richard Meier sagte, nach seinem Wissen habe der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse zum Täterkreis der RAF unterdrückt. Auch sei ihm von der berichteten Aussage Beckers nichts bekannt, sagte Meier, der von 1975 bis 1983 an der Spitze der Behörde stand.
Nach einem Bericht des »Tagesspiegel« fand der Verfassungsschutz am Wochenende in eigenen Unterlagen ein 44-Seiten-Papier über die Befragung Beckers, die zwei Wochen lang gedauert habe.
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte, jedem einzelnen Hinweis an die Sicherheitsbehörden müsse nachgegangen werden. »Ich warne vor falscher Legendenbildung. Alle RAF-Terroristen sind Mörder oder Mordbeteiligte«, sagte der CSU-Vorsitzende. Sie hätten keinen Beitrag zur Aufklärung geleistet. »Es gab ein Schweigekartell.« Im Fall Klars bleibe es dabei, dass er eine zentrale Rolle bei dem Mord gespielt habe und nichts zur Aufklärung beigetragen habe. »Ohne diese Grundlage hat die Begnadigung von Klar überhaupt keine Grundlage.«
Bundespräsident Horst Köhler prüft ein Gnadengesuch Klars, der ohne Gnadenakt frühestens 2009 entlassen werden könnte. Das Landgericht Karlsruhe hat für heute eine Entscheidung darüber angekündigt, ob Klar Hafterleichterung gewährt werden kann. Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll hatte eine neue Begutachtung Klars angeordnet, nachdem dieser in einem Grußwort an die linke Rosa-Luxemburg-Konferenz Kapitalismuskritik geäußert hatte.

Artikel vom 24.04.2007