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Franzosen brennen zahlreiche
Probleme auf den Nägeln

Keine Überraschung bei Präsidentenwahl - Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Paris (dpa/Reuters). Nach einem hoch emotionalen Präsidentenwahlkampf sind die Franzosen gestern in Scharen zu den Urnen geströmt. Die Wahlbeteiligung lag nach Hochrechnungen knapp unter dem Rekord von 84,75 Prozent bei der ersten Präsidentenwahl 1965. 2002 hatten nur 71,6 Prozent ihre Stimme abgegeben.

In den Umfragen hatte seit Monaten der konservative Kandidat Nicolas Sarkozy vor der linken Rivalin Ségolène Royal geführt. Beide verfehlten gestern jedoch klar die absolute Mehrheit, womit die Entscheidung erst in einer Stichwahl in 14 Tagen fallen wird. Die Demoskopen hatten für den 6. Mai bereits ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Neogaullisten und der Sozialistin vorausgesagt. Der Zentrumskandidat François Bayrou war in letzten Umfragen vor der Wahl noch auf Platz vier hinter dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen gelandet.
Le Pen hat es trotz aller Unkenrufe nicht geschafft, aber auch der aufstrebende Zentrumspolitiker Bayrou nicht. Dabei hatte sich doch gerade er in den vergangenen Wochen als »Mann der Mitte« profilieren können, die Idee einer »Großen Koalition« ins Spiel gebracht und den Franzosen nahe gelegt, vom alten Links-Rechts-Muster Abstand zu nehmen. Allerdings haben sich die Franzosen nicht in ausreichender Zahl ein für sie fremdartiges »Modell Bayrou« vorstellen können.
Trotz aller Unentschlossenheit, die der Wähler noch bis zum Urnengang am Sonntag signalisiert hatte, brachte sein Votum im ersten Wahlgang keine Überraschung mit sich - anders als 2002, als der rechtsextreme Jean-Marie Le Pen zur Verwunderung der meisten in die entscheidende zweite Runde kam. Insofern ist die politische Welt all derer, die klares »Lagerdenken« bevorzugen, wieder in Ordnung.
Als Sieger steht nach dem ersten Urnengang die Demokratie fest. Die Mobilisierung von Millionen neuer Wähler führte nach der blamabel niedrigen Beteiligung vor fünf Jahren jetzt zu einem Riesenandrang und beweist, wie sehr die Franzosen dies als Schicksalswahl ansehen.
Im themenarmen Wahlkampf 2007 haben sowohl Sarkozy als auch Royal ihr persönliches Profil in den Vordergrund gestellt, um sich den Franzosen als geeignetes Staatsoberhaupt zu präsentieren. Dabei brennen den Franzosen derzeit zahlreiche Probleme auf den Nägeln. Der schleichende Niedergang der französischen Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung führt zunehmend zu Arbeitsplatzabbau und sozialen Spannungen.
Die in den Medien mit einem stets makellosen Auftritt brillierende Royal will trotz der wirtschaftlichen Malaise und knapper Staatskassen den Sozialstaat französischer Prägung bewahren. Die 53-Jährige plädiert für mehr soziale Gerechtigkeit. Sie versprach im Wahlkampf, als erste Präsidentin in der Geschichte Frankreichs ein »faireres und stärkeres« Land zu gestalten. Bei ihrer Stimmabgabe sprach sie von einem »sehr wichtigen Tag« für Frankreich. Der ein Jahr jüngere Konservative Sarkozy, selbst Sohn eines ungarischen Einwanderers, hat sich insbesondere als Innenminister mit einer harten Linie gegen Kriminalität und illegale Immigration den Ruf eines Scharfmachers erworben.
Der von beiden Seiten umworbene Bayrou mit seiner Zentrumspartei UDF will zunächst »zuhören«, was Sarkozy und Royal zu sagen haben, bevor er eine Wahlempfehlung abgibt.
Ärger bereitete der erste größere Einsatz elektronischer Wahlmaschinen für eineinhalb Millionen Wähler in 82 Gemeinden. Wegen der komplizierten Bedienung kam es teilweise zu Wartezeiten von mehr als einer Stunde.

Artikel vom 23.04.2007