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2000 Hausbesitzer um Millionen geschädigt?

Vier Verdächtige in U-Haft - Bielefelder bestreitet Tat

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Eine Bielefelder Leasing-Firma soll überschuldete Eigenheimbesitzer, denen die Zwangsversteigerung ihres Hauses drohte, mit der Aussicht auf Rettung geködert und dann ausgenommen haben. Der Geschäftsführer und drei mutmaßliche Komplizen sitzen in Untersuchungshaft.
In diesem Wohn- und Geschäftshaus sitzt die »Domizil Immobilien-Leasing GmbH«.
Die »Domizil Immobilien-Leasing-GmbH« hat ihre Büros in einem Wohn- und Geschäftshaus im Bielefelder Süden. Von hier aus soll Geschäftsführer Rainer H. (61) das Betrugssystem aufgezogen haben. »Wir kennen bislang 100 Geschädigte, aber es können auch 1000 oder 2000 sein. Mit der Auswertung der sichergestellten Geschäftsunterlagen ist gerade erst begonnen worden«, sagte am Wochenende Oberstaatsanwalt Ralf Lechte aus Stralsund, wo das Ermittlungsverfahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs geführt wird.
Rainer H. soll über Vermittler, mit Zeitungsinseraten und in Zwangsvollstreckungskatalogen nach überschuldeten Hausbesitzern gesucht haben. »Meine Firma kauft ihr Haus, und ich vermiete es an Sie. So können Sie wohnen bleiben und sind ihre Schulden los«, versprach er Interessenten.
Die Hausbesitzer mussten eine Beratungsgebühr bezahlen, ein Wertgutachten ihrer Immobilie erstellen lassen und die Notarkosten für den Kaufvertrag übernehmen. »Zwischen 2500 und 8000 Euro wurden die Leute auf diese Weise los«, sagte Oberstaatsanwalt Lechte. Die Gutachten, die von immer demselben Ingenieur angefertigt worden seien, seien wertlos: »In einigen Fällen hat der Mann die Häuser nicht einmal gesehen.« Und die Verträge, die alle bei einem Osnabrücker Notar geschlossen worden seien, seien nur ein Bluff gewesen.
Rainer H. sei nämlich nicht selbst zu den Beurkundungsterminen erschienen, sondern habe vollmachtlose Vertreter geschickt. Damit waren die beurkundeten Verträge »schwebend unwirksam«, wie es im Juristendeutsch heißt. Sie wären erst durch Zustimmung von Rainer H. in Kraft getreten - doch die soll so gut wie nie erfolgt sein.
Der Oberstaatsanwalt: »Nachdem die Kunden gezahlt hatten, wurde ihnen mitgeteilt, die finanzierende Bank sei abgesprungen, weil sie Zweifel an der Bonität der Hausbesitzer und damit an deren regelmäßiger Mietzahlung habe. Deshalb könne die Leasing-GmbH das Haus nicht kaufen.« Die Ermittler gehen jedoch davon aus, dass Rainer H. überhaupt keinen Kontakt zu Banken hatte, sondern nur darauf aus war, die Gebühren zu kassieren.
»Wir nehmen an, dass viele Hausbesitzer noch gar nicht wissen, dass sie geschädigt worden sind«, sagte Oberstaatsanwalt Lechte. Denn die Erklärung der GmbH, warum sie von dem Geschäft zurücktreten müsse, sei für den Kunden durchaus nachvollziehbar gewesen. »Dass da System hintersteckt, merkt man erst, wenn man die Masse der Fälle betrachtet.« Das habe die Staatsanwaltschaft getan, nachdem mehrere Anzeigen eingegangen seien. Nach ersten Ermittlungen sollen Hausbesitzern Beratungsgebühren, Gutachter- und Notarkosten von 4,2 Millionen Euro in Rechnung gestellt worden sein.
Rainer H. und drei mutmaßliche Komplizen, die ihm Kunden vermittelt haben sollen, wurden festgenommen. Rainer H. bestreitet die Betrugsabsicht. Sein Anwalt Dr. Knut Recksiek sagte, er habe bereits Haftprüfung beantragt: »Es gab zwar keine Bank, aber Privatleute, die das Geld für den Kauf der Häuser bereitstellen wollten.« In einigen Fällen sei es auch zu Verträgen gekommen.

Artikel vom 23.04.2007