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Schätze ganz zerfleddert
Saint Michel: versteckte Suche nach wertvollen Buchseiten
Annabelle versteht es überhaupt nicht, dass Menschen so mit Büchern umgehen, dass sie anschließend total zerfleddert sind und sich womöglich noch in alle Winde verstreuen. Schon dass jemand eine Notiz in eines ihrer Bücher hineinschreiben könnte, ist ihr ein Gräuel.
Das Gleiche gilt für jedes noch so kleine Eselsohr. Und nun dies: Seiten eines wertvollen Buches sind über die ganze Insel Mont Saint Michel verteilt. Zwei bis fünf Hobbysammler antiker Bücher machen sich an der französischen Atlantikküste auf, um die Seiten zu suchen. Sie tun das verdeckt - vielleicht, um nicht den Verdacht bei den Inselbewohnern zu erregen, dass die Antiquität in ihrem Besitz einen sehr großen Wert darstellen könnte. Vor allem jedoch sollen die Mitspieler getäuscht werden. Schließlich sammelt jeder für sich - für seinen Ruhm und seinen Sieg. Je wertvoller das gefundene Teil, desto mehr Siegpunkte kann man einheimsen.
So kommt es also, dass am Anfang kein Spieler weiß, wer sich in welcher Spielfigur verbirgt. Erst im Laufe des Spiels bieten so genannte Identitätskarten die Möglichkeit, nach und nach einen Blick in die eine oder andere Spielfigur zu werfen. Dort findet man zwar keine Buchseite, wohl aber einen kleinen Zettel. Darauf steht das Namenszeichen eines Spielers oder für jene, die blind durchs Spiel geführt werden, ein »x«.
Annabelle zieht ständig »Rot«, schubst die anderen Farben aus dem Weg. Sie muss, das scheint allmählich ganz klar, die rote Figur besitzen. Ist nicht Rot ohnehin ihre Lieblingsfarbe? Wenn sich die anderen da mal nicht täuschen!
Zu Recht fühlt man sich an dieser Stelle an den Spiele-Klassiker »Hexentanz« (Verlag F.X. Schmid) und an die »Jagd der Vampire« (Ravensburger) erinnert. Ganz so verrückt wie beim Hexentanz, bei dem die Figuren immer wieder urplötzlich um sieben Felder zurückgesetzt werden können, geht es auf dem »Mont Saint Michel« (Verlag Drei Magier, etwa 23 Euro) nicht zu. Trotzdem kommt auch dieses Spiel mit einer interessanten Zugvariante. Wer auf einem besetzten Feld landet, zieht die dort stehende Figur - egal in welche Richtung -Êein Feld weiter. Kann sein, dass die versetzte Figur nun ebenfalls auf eine andere trifft. Dann rückt auch diese vor. Wer es darauf anlegt, löst damit eine Kettenreaktion aus. Demgegenüber erlauben die Sonderkarten Ebbe und Flut schnelles Vorwärtskommen auf dem Wasser.
Je mehr Spieler, desto überraschender und verwirrender ist »Mont Saint Michel«. In der Zweierversion ist der Spaß allerdings begrenzt, wenn - wie bei einem Probespiel geschehen - beide Akteure schnell »ihre« Figur finden und dies auch nicht verheimlichen können.
Bernhard Hertlein

Artikel vom 05.05.2007