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Europa steckt seit 5000
Jahren im Karrierestau

Juliane Zschau amüsiert das Publikum im Theaterlabor

Von Astrid Pinske
Bielefeld (WB). Europa ist frustriert. Seit nunmehr 5000 Jahren steckt sie im Karrierestau. Dabei hatte es damals doch so hoffnungsvoll begonnen, mit ihr und Zeus auf Kreta . . .

Im Theaterlabor nahm Europa alias Schauspielerin Juliane Zschau ihr amüsiertes Publikum mit auf eine Reise durch die Jahrhunderte des Hoffens, in denen zwar immerhin ein Kontinent nach der Schönen aus der griechischen Mythologie benannt wurde, aber das große Ziel, der Aufstieg in den Olymp, immer noch aussteht.
Mit »Die Schöne und der Stier« kehrte der Regisseur, Schauspieler und Krankenhausclown Leopold Altenburg erneut an seine alte Wirkungsstätte zurück. Treuen Fans dürfte bei dem ironischen Monolog die Handschrift von Autor Thomas Rau nicht entgangen sein. Mit dessen Mozart-Parodie »Die Entzauberflöte« begeisterte Altenburg das Bielefelder Publikum in den vergangenen Monaten schon einige Male.
Im Theaterlabor offenbarten die großartig-dynamische Zschau, Rau und Altenburg nun, dass die ambitionierte phönizische Prinzessin Europa bei weitem nicht nur das unschuldig verführte Opfer des mächtigen Gottes Zeus ist, als das sie über Jahrhunderte in der Malerei, Bildhauerei und Dichtung dargestellt wurde. »Phönizien - das einzige was es da gab, waren Kühe. Da ist eine karriereorientierte Affäre noch immer das beste Joint-Venture«, resümiert die Schöne. Denn: »Prinzessin, das war ich ja schon früher, aber Göttin, das wäre doch was.«
Dabei hat Europa mit dem Kontinent, den ihr diese Liaison einbrachte, durchaus ihre Probleme. Nicht nur, dass sie als gebürtige phönizische Prinzessin ja quasi eine illegale Einwandererin in Europa wäre. Zudem ist es noch der kleinste der Kontinente. Und seine Bewohner erst: Der 100-jährige Krieg, der 30-jährige Krieg, der Spanische Krieg, der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg, um nur einige zu nennen. Und dann noch die peinliche Sache mit den Kolonien . . . »Können es die Europäer nicht ertragen, miteinander in Frieden zu leben«, fragt sich die Namensgeberin und schüttelt frustriert den Kopf: »Zeus hat mir das hier damals aufgeschwätzt.«
»Im Laufe der vergangenen 5000 Jahre bin ich allen Promis begegnet.« Europa hat Karl dem Großen einen Elefanten geschenkt und Rubens, Rembrandt und Beckmann Modell gesessen. Und sie hat alle überlebt. »Manchmal komme ich mir vor, wie Miss Sophie in ÝDinner for OneÜ«, seufzt die Lady. Und überhaupt: Einzig Lovis Corinth habe sie richtig eingeschätzt - in den Gemälden der anderen Künstler sei sie immer das von dem Stier entführte Opfer gewesen.
Corinth deutete die Einflüsse richtig und ließ sie Zeus am Gängelband führen. Zeus. »In Geschichtsbüchern steht Zeus immer noch als der Führer, aber in der Realität . . . Als Führungsgestalt eine echte Lusche, der könnte noch nicht einmal einen Kindergeburtstag organisieren«, lautet die harsche Kritik seiner ehemaligen Geliebten. Ihre Entführung sei der »größte Mediencoup der gesamten Antike« gewesen.
Aber der Herr des Olymp wird dann halt doch noch benötigt: »Zeus, ich brauche dich doch noch, ohne dich bin ich doch nur eine hilflose kleine Frau. Du musst mich doch noch zur Göttin machen. Ich habe ein Recht darauf, Göttin zu werden, sonst hetze ich dir ein Dutzend Rechtsanwälte auf den Hals.« Wenn es um den persönlichen Vorteil geht, werden Weiber zu Hyänen. Am liebsten »Göttin für Mode und Accessoires«. Schließlich gebe es die auf dem Olymp noch nicht - und es sei ein Unding, das Mode heutzutage gerade einmal eine Stunde lang aktuell wäre.
Dies ist nun der Moment, wo sich Hera, die Zeus-Gattin und vielbeschriebene angeblich wahre Herrin des Olymp einbringt und Europa mit der Verbannung in die Unterwelt droht. Aber der griechische Göttervater hebelt sie mit einer der zahllosen juristischen Vorgaben der Europäischen Union aus: »Nach 5000 Jahren gilt für sie nach EU-Norm Bestandschutz.«
Also keine Unterwelt. Allein, zu den Klängen der EU-Hymne, atmet Europa auf. Aber der Wunsch nach dem Göttinnen-Status, der bleibt. Auf in die nächsten 5000 Jahre!

Artikel vom 26.04.2007