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»Es liegt mehr Arbeit vor uns, als hinter uns«

Beim Möbelhersteller Schieder läuft die Produktion an

Von Edgar Fels
Schieder-Schwalenberg (WB). Einen Festakt hat es nun doch nicht gegeben. Als der seit Tagen erste Lastwagen mit Spanplatten der Firma Hornitex gestern Mittag auf das Werksgelände des Möbelherstellers Schieder rollte, gab es weder Beifall der Beschäftigten noch eine offizielle Begrüßungszeremonie.
Mit Millionen dabei: Rolf Demuth

Europas größter Möbelhersteller ist zwar dank eines Überbrückungskredites von 70 Millionen Euro vorerst gerettet - von ausgelassener Freude konnte aber keine Rede sein. »Es liegt mehr Arbeit vor uns, als hinter uns«, ließ Unternehmenschef Rolf Demuth (68) über seinen Sprecher Frank Schroedter mitteilen. Demuth selbst erklärte nur: »Wir sind froh, dass es ein gutes Ende genommen hat.« Mehr mochte er nicht sagen. Wie aus Unternehmenskreisen verlautete, soll Demuth sich mit mehreren Millionen Euro aus seinem Privatvermögen an der Finanzierung beteiligt haben.
Wie geht es nun weiter? »Ich glaube, dass da noch Einiges auf uns zukommt«, befürchtet Betriebsratschef Hans-Dieter Matzke (55) angesichts der bevorstehenden Restrukturierung. Zunächst ist er aber froh, dass die rückständigen März-Löhne ausgezahlt werden können. »Der Kredit verschafft Schieder für drei Monate Luft, aber die Probleme sind nicht gelöst«, sagt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Detmold, Reinhard Seiler. Schieder zufolge soll bis Ende Juni ein Konzept für die Restrukturierung vorliegen. Wie viele der 1000 Arbeitsplätze in Deutschland damit gefährdet sind, diese Frage blieb gestern unbeantwortet. Gewerkschafter Seiler erinnert vorsorglich an eine Beschäftigungssicherung, die bis Mai 2009 gelte. »Wir verlangen, dass sich die Geschäftsleitung daran hält.« Weltweit beschäftigt Schieder 11000 Mitarbeiter, davon 9000 in Polen. In Deutschland wird nur noch in Schieder, Steinheim und im Viva Polstermöbelwerk in Strokow bei Berlin produziert. Die IG Metall befürchtet, dass das Werk in das chinesische Polsterwerk verlagert wird, berichtet der Tagesspiegel.
Die Anträge auf vorläufige Insolvenz sollten bis vergangene Nacht zurückgenommen werden, sagte Gerichtssprecher Hanno Gerhardt gestern. Erst dann werde auch der vom Gericht als Gutachter bestellte Insolvenzexperte Sven-Holger Undritz entpflichtet. Gerhard rechnet damit, dass auch die 50 Insolvenz-Anträge von verschiedenen Tochterfirmen zurückgenommen werden.
Unterdessen nahmen im Möbelwerk in Schieder-Schwalenberg gestern 80 der 600 Mitarbeiter ihre Arbeit auf. »Der Startschuss ist in der Warenannahme gefallen.« Montag oder Dienstag soll die Arbeit wieder auf Hochtouren laufen, sagte Matzke. Schieder fertigt Möbel für namhafte Handelshäuser. Auch der Ottoversand, Neckermann und Aldi sind Kunden.
Nachdem der Überbrückungskredit unter Federführung des Investmenthauses Goldman Sachs mit den 40 bis 60 Gläubigern in trockenen Tüchern ist, arbeitet Schieder an einer dauerhaft tragfähigen Finanzierung. Mit dabei: die Investmentbank Houlihan Lokey Howard&Zukin, Anwalts-Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer und Unternehmensberatung Alix Partners. Die gegenwärtige Finanzierung setze sich aus einem Mix verschiedener Instrumente zusammen, zu der Genussscheine, Bankdarlehen und nachrangige Finanzierungen zählen.

Artikel vom 20.04.2007