21.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein neuer Platz für viele Buddelschiffe

Peter Tamm eröffnet im Hamburger Kaiserspeicher B ein Schifffahrts- und Meeresmuseum

Von Sönke Möhl
Hamburg (dpa). Sonnenlicht durch Sprossenfenster taucht Backstein, Holz und Stahl des Kaispeicher B in warme Farben. Die Böden des noch leeren Gebäudes aus dem Jahr 1878 sind frisch geölt, Deckendurchbrüche und eingezogene Treppen ermöglichen immer neue Blicke und lockern die Strenge des zehnstöckigen ehemaligen Kakaospeichers in der Hamburger Hafencity auf.

»Das ist toll, ein so altes Gebäude, man muss immer wieder auf das reagieren, was man findet«, sagt Ulf Behr, der die Restaurierung des ältesten Speichers der Hansestadt durch das Bauunternehmen Otto Wulf begleitet hat. Bald soll hier auf 15 000 Quadratmetern das Internationale Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm eröffnen. Die Stadt hat das denkmalgeschützte Gebäude für 30 Millionen Euro restauriert.
Im Juli soll der Umzug starten. Im kommenden Frühjahr könnten sich dann die Türen für Besucher öffnen. »An allem wird bis zuletzt noch geschliffen, und alles wird noch schöner gemacht.« Im Moment steckt das ganze 20-köpfige Team tief in der Sammlung, um den bevorstehenden Transport vorzubereiten.
Aus Tamms Arbeitszimmer im Obergeschoss der weißen Villa reicht der Blick über den Elbstrom hinweg bis weit nach Niedersachsen. Auf dem sauber aufgeräumten, im großen Zimmer fast zierlich wirkenden Schreibtisch liegt griffbereit ein Feldstecher. Jedes der lautlos hinter den Panoramascheiben vorbeiziehender Schiffe, ob Containerriese, Kreuzfahrer oder Kümo, weckt Tamms Interesse neu.
Bald wird er diesen Platz gegen ein modernes Arbeitszimmer im Kaispeicher B tauschen, von dem aus er Teile des Hafens und das neue Kreuzfahrtterminal überblicken kann. Seit seine Mutter ihm vor mehr als 70 Jahren ein kleines Schiffsmodell schenkte, ist er mit dem maritimen Virus infiziert. Eins kam zum anderen, heute sind die Modelle, Uniformen, Bilder, Gerätschaften, Briefe und Orden in Zehntausenden zu zählen.
Tamm bleibt bei einer kurzen Führung durch die Sammlung an einem Schaukasten mit einer Reihe winziger Modelle stehen, vom Ruderboot über ein Wikingerschiff bis zur Bark. »Das ist das Ergebnis eines Bastlerlebens, davon gibt es nur zwei Stück, eins hier und eines bei mir Zuhause.« Die filigranen Masten, die spinnwebenartige Takelage der nur wenige Zentimeter großen Segelschiffe sind faszinierend.
»Schifffahrtsgeschichte ist Menschheitsgeschichte«, betont Tamm. Und genau das will der ehemalige Vorstandschef des Axel Springer Verlags in seinem Museum herausarbeiten. Alles, was Menschen erdenken, spiegelt sich in der Seefahrt wieder. Einen Zeitstrahl von 3000 Jahren sollen Besucher nachvollziehen können, in der Handelsschifffahrt, bei der Kriegsmarine, beim Leben an Bord, in der Kunst und mit Gerätschaften zur Navigation.
Im Kaispeicher B kann das Internationale Maritime Museum wie ein Bindeglied für das Schifffahrtserbe Hamburgs wirken. In wenigen Minuten zu Fuß erreichen Besucher an Übersee- und Landungsbrücke die großen Schiffe »Cap San Diego« und »Rickmer Rickmers«.
»Das ist die Ausbeute einer Woche«, sagt der 78-Jährige und zeigt auf einen großen Tisch mit Modellen verschiedener Maßstäbe, Büchern und Plänen. »Das hier kam per Post« - ein tellergroßes Marzipanstück mit dem Wappen des Instituts. »Das hat mir jemand einfach so geschickt.« Daneben liegt ein großes Buddelschiff, die Fünfmastbark »Potosi«. Arbeitsstunden, die bei Schiffsmodellen leicht in Hunderten zu zählen sind, können nicht bezahlt werden, sagt Tamm. Für viele Modellbauer ist der Lohn, dass ihr Können und ihre Kreativität öffentlich in einem Museum ausgestellt werden.
Als einen wichtigen Kernbestand seiner Sammlung bezeichnet Tamm die mehr als 20 000 Schiffsmodelle im Maßstab 1:1250. Größenentwicklungen zum Beispiel bei Containerschiffen lassen sich auf einen Blick nachvollziehen. Lieblingsmaßstab des Marineexperten ist aber 1:100. Große Modelle erreichen dabei eine Länge bis zu drei Metern.
Der ehemalige Journalist und Verlagsmanager hofft, im neuen Museum vor allem den jungen Besuchern, eines zu vermitteln: Ein Schiff kommt nur durch schwere See, wenn einer die Verantwortung trägt, aber alle zusammenarbeiten. »Allein ist man im Sturm verloren«. Schifffahrt zwingt zu Gemeinschaft statt Egoismus. »Das ist, was uns heute fehlt.

Artikel vom 21.04.2007