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Froh, dass nichts passiert ist, waren Dr. Wolfgang Kehl (l.) und Erhard Küster von der Polizei.Foto: Pierel

Schusswaffe im Gebäude vermutet

16-Jährige beobachtet verdächtigen Gegenstand unter dem Pullover eines Mannes

Von Stefanie Westing
und Lars Rohrandt
Brackwede (WB). 2200 Schüler des Rudolf-Rempel-Berufskollegs an der Rosenhöhe mussten gestern Morgen aus Angst vor einer Gewalttat das Gebäude verlassen. Eine Schülerin (16) hatte berichtet, dass sie einen Mann gesehen habe, der in die Schule ging und dabei unter seinem Pullover einen Gegenstand trug, der eine Schusswaffe hätte sein können. Gefunden wurde später nichts.

Um kurz vor zehn Uhr erschien die Schülerin im Raum der Stundenplanung im Sekretariat und berichtete von ihrer Befürchtung, dass jemand mit einer Waffe im Schulgebäude unterwegs sein könnte. »Wir haben die Polizei verständigt und uns nach sorgfältiger Überlegung dafür entschieden, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen«, erklärte Schulleiter Dr. Wolfgang Kehl. Die Entscheidung, die Schule zu räumen, fiel. Die Nachbarschulen - das Berufskolleg Senne und die Gesamtschule Rosenhöhe - wurden informiert.
Lehrer seien durch die einzelnen Klassen gegangen und hätten die Schüler ohne Angabe von Gründen aufgefordert, das Gebäude zu verlassen, berichtete Lehrer Harald Buschmann. Von den 4592 Schülern, die das Berufskolleg besuchen, waren nach Einschätzung von Schulleiter Dr. Wolfgang Kehl etwa 2200 anwesend, ebenso etwa 120 Lehrer.
Beamte der Polizeiwache Süd inspizierten mit Hilfe von Lehrern das Gebäude. »Dies ist vorsorglich geschehen«, betonte Kehl. Während dieser Aktion durfte sich niemand dem Haupteingang der Schule nähern aus Angst, dass sich jemand auf dem Dach versteckt haben könnte. Die Durchsuchung dauerte eine Weile, weil das Gebäude sehr verwinkelt und unübersichtlich ist. »Aber es sollte ja niemand gefährdet werden. Nach dem Rat der Polizei wollten wir kein Risiko eingehen«, sagte Kehl.
Gefunden wurde nichts, auch der Notausgang zum Dach hin war nicht benutzt worden. Die Schülerin, die mit ihrer Beobachtung die Räumung ausgelöst hatte, stand am Ausgang, als die Mitschüler das Gebäude verließen, erkannte die »männliche Person«, von der sie berichtet hatte, aber nicht wieder.
Die zunehmende Kette von Gewalt an Schulen habe auch vor ihren Bewertungskriterien nicht Halt gemacht, begründete Erhard Küster, Erster Polizei-Hauptkommissar der Wache Süd, diese Maßnahme gerade auch vor dem Hintergrund des blutigen Amoklaufes an einer Universität in den Vereinigten Staaten von Amerika am Montag, bei dem 33 Menschen starben. »Wir haben die Schülerin als glaubwürdige junge Frau eingeschätzt und ihre Beobachtungen ernst genommen.« Er gehe davon aus, dass die Ereignisse in Virginia die 16-Jährige bewogen hätten, vorsichtig zu sein und ihre Bedenken mitzuteilen.
Bei dem Einsatz sei es gelungen, einen vernünftigen Spagat zwischen sachlicher Einschätzung und Bewertung der Gefahr hinzubekommen. »Leider sind das Rudolf-Rempel-Berufskolleg und die Polizei in dieser Hinsicht schon gebrannte Kinder, aber wir können immerhin auch über einige Erfahrung verfügen«, sagte Küster mit Blick auf die Tatsache, dass es in der Vergangenheit bereits mehrfach Bombendrohungen an der Schule gegeben hatte. Auf den ruhigen Verlauf der Evakuierung wirkte sich die Tatsache positiv aus, dass die Lehrer in ihrer Konferenz am 7. Februar von der Polizei beraten ließen, um in einem solchen Fall richtig zu reagieren. Grund für den Besuch der Beamten waren die Ereignisse in Emsdetten gewesen, wo Ende des vergangenen Jahres ein ehemaliger Schüler an einer Realschule um sich geschossen, fünf Menschen verletzt und sich selbst getötet hatte. »Ich muss den Kollegen meine Anerkennung aussprechen. Sie wussten, was sie zu tun hatten«, betonte der Schulleiter.
Knapp drei Stunden dauerte es, bis der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Der Unterricht verlief von der siebten Stunde an wieder reibungslos. Nach der Durchsuchung hatte es zunächst Verwirrung um die Freigabe des Gebäudes gegeben. Schließlich übernahm Polizeidirektor Hans-Werner Göll diese Aufgabe telefonisch.

Artikel vom 20.04.2007