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Ein ganz beschauliches
Kleinod mitten im Moor
Das niederländische Festungsdorf Bourtange bietet authentisches Ambiente
Wenn die Dämmerung das flache Land mit seinen Wällen und Grachten in ein mildes, rotes Licht taucht, wird es ruhig in Bourtange.
Der Trubel eines typischen Sommertages weicht ebenso schnell einer gelassenen Beschaulichkeit, wie er am Vormittag über das niederländische Festungsdorf hereingebrochen ist. Nur 60 Menschen leben innerhalb der wehrhaften Anlage, die aus dem Jahr 1580 datiert und nach dem Zweiten Weltkrieg von engagierten Heimatfreunden vor dem endgültigen Verfall gerettet wurde.
Hätte man jeden Donnerbalken durch ein modernes Wasserklosett ersetzt, auch die letzten Wallanlagen geschleift und alle Grachten mit Erde gefüllt, wäre Bourtange heute zwar immer noch ein typisches, liebenswertes holländisches Dorf - aber nicht die faszinierende Sehenswürdigkeit mitten im Moor zwischen Münster und Groningen.
Entstanden ist sie einstmals, um den Weg zwischen eben diesen Städten abzusichern. Nur der Pfad über Bourtange garantierte ein Vorankommen - das emsländische Moor machte Händlern die Benutzung anderer Wege unmöglich. Denn Bourtange entstand 1580 genau an der Stelle, wo auf dem Weg zwischen Groningen und Münster durch die Moore und Sümpfe zwei Ochsenkarren einander ausweichen konnten. Man hoffte, die von den Spaniern besetzte Stadt Groningen so von der Außenwelt abschneiden zu können.
Erst 1593 wurde die Festung fertig gestellt und im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges immer wieder verändert und den jeweiligen technischen Gegebenheiten angepasst. Dies machten die jeweiligen Baumeister und Kommandanten mit Erfolg: Bourtange wurde nie erobert!
Verfallen und wieder instand gesetzt, erreichte die Festung 1742 während des Ersten Schlesischen Krieges ihre größte Ausdehnung. Militärisch war sie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts von Bedeutung. 1851 zogen die Militärs ab und das Dorf blühte auf und wuchs zu einer stattlichen Größe an. Doch 1945 präsentierte sich das Dorf erneut als Ruine.
Die Visionäre, die Bourtange nach dem Krieg erhalten wollten, mussten sich schon fragen lassen, ob Denkmalschutz wichtiger war als ein schneller, umfassender Wiederaufbau. Heute wird das Dorf als Stiftung geführt. Kleine Läden, etwas Gastronomie und sogar ein Hotel haben sich etabliert. Die Menschen, die dort leben, sind es gewohnt, tagsüber vor allem in den warmen Monaten auf dem Präsentierteller zu sitzen. 250 000 Besucher erliegen jedes Jahr den Reizen des pittoresken Dorfes mit einer Struktur, die der eines regelmäßigen Pentagramms mit Krone ähnelt.
Kriegerische Auseinandersetzungen gibt es nur noch im Rahmen von Historienspielen, wie sie wieder am 9. und 10. Juni stattfinden. Ansonsten zelebriert man die angenehmen Seiten des Lebens. Im Pulvermagazin kann heute geheiratet werden, das lichtdurchflutete Oranierzimmer des Hotels mit Himmelbett, riesiger Badewanne und Fenstern wie ein Scheunentor wird vor allen Dingen von Liebespaaren gerne gebucht. Gerade weil Bourtange dem Reiz widerstand, das Dorf in einen musealen Freizeitpark zu verwandeln, finden Besucher heute ein sehr authentisches Ambiente vor. Synagoge und Kirche, Schule und Mühle sind Orte, an denen sich das Alltagsleben der Einheimischen abspielt, wenn auch der Tourismus natürlich längst die Haupteinnahmequelle ist.
Thomas Albertsen
www.groningerlandschap.nl

Artikel vom 05.05.2007