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Zentralrat der Juden
mit Oettinger versöhnt

Rücktrittsforderung nach Gespräch zurückgezogen

Frankfurt/Main (Reuters). Nach einem klärenden Gespräch mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger hat der Zentralrat der Juden in Deutschland den Streit über die Filbinger-Trauerrede zu den Akten gelegt.

Nach der einstündigen Unterredung gestern in Frankfurt nahm die Präsidentin des jüdischen Dachverbandes, Charlotte Knobloch, ihre Rücktrittsforderung offiziell zurück. Sie sei gegenstandslos, da Oettinger in der Runde die Rücknahme seiner umstrittenen Aussage bekräftigt habe.
»Meine Kollegen und ich sind überein gekommen: Da der Ministerpräsident sich von dieser Rede distanziert, sind wir damit einverstanden«, berichtete Knobloch. Sie sprach von einem konstruktiven Dialog. »Es war eine sehr intensive Offenheit - und sie ist auch nötig gewesen.« Zentralrats-Vizepräsident Salomon Korn fügte hinzu: »Es wurden nicht nur Freundlichkeiten ausgetauscht.«
Oettinger wiederholte nach eigenen Angaben die Rücknahme seiner umstrittenen Aussage, sein verstorbener Amtsvorgänger und Marine-Richter unter den Nationalsozialisten, Hans Filbinger, sei Gegner der Nazis gewesen. »Ich habe mich vom Inhalt meiner Rede in den entscheidenden Passagen distanziert am Montag und heute erneut«, sagte der CDU-Politiker.
Nach Darstellung Knoblochs unterstrichen alle Beteiligten die Auffassung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Deutschland könne seine Zukunft nur gestalten, wenn es sich seiner Vergangenheit stelle. Bei der Auseinandersetzung mit der Nazi-Diktatur trage die Politik besondere Verantwortung.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck bemühte sich, die Debatte im Gang zu halten. »Die Vorgänge waren offensichtlich mehr als eine Entgleisung, es war wohl Ausdruck einer Haltung«, sagte er. Er habe die Hoffnung gehabt, dass mit Oettingers Entschuldigung die Sache völlig ausgeräumt sei.
Filbinger war als Marine-Richter an Todesurteilen gegen Soldaten beteiligt gewesen. Er hatte 1978 als Ministerpräsident zurücktreten müssen. Da sich Oettinger zunächst nur entschuldigte, aber inhaltlich nicht korrigieren wollte, bestand der jüdische Dachverband auf dessen Rücktritt. Erst als der Ministerpräsident seine Aussage - auch auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel - zurücknahm und öffentlich bedauerte, verstummte die Kritik.

Artikel vom 20.04.2007