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Ringen um Anti-Terror-Strategie

Spitzentreffen soll die Differenzen zwischen Union und SPD ausräumen

Berlin (dpa). Die große Koalition will ihre Differenzen über die richtige Strategie im Terror-Abwehr-Kampf auch mit einem Spitzentreffen der zuständigen Minister im Kanzleramt ausräumen.
Soll die »Streithähne« an einen Tisch bringen: Thomas de Maizière.
Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) ist beauftragt worden, Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) an einen Tisch zu bringen, um vor allem den Streit über den Bundeswehreinsatz im Innern beizulegen. Schäuble, der zuvor die Geltung der Unschuldsvermutung bei der Terrorabwehr in Frage gestellt hatte, sah sich auch gestern weiterer Kritik der Opposition, aber auch aus der SPD ausgesetzt.
Nach vorliegenden Informationen sollen in der Runde im Kanzleramt vor allem die Streitpunkte bei der Schaffung neuer Sicherheitsgesetze erörtert werden, in denen es auch um Änderungen des Grundgesetzes geht. Damit dürften neben den Differenzen über die Befugnis der Bundeswehr zum Abschuss von gekaperten Flugzeugen auch die über ein Recht für das Bundeskriminalamt zu Online-Durchsuchungen zur Sprache kommen.
Beim zweiten Punkt wird darüber diskutiert, ob der Grundgesetz-Artikel über den Schutz des Wohnraums geändert werden muss. Das Treffen soll dem Vernehmen nach Mitte Mai stattfinden.
Andere schwierige Punkte wie die von der Unions-Fraktion gewünschte Speicherung von Fingerabdrücken, die bei der Herstellung von Pässen erfasst werden, oder die Differenzen über die Rasterfahndung würden in der Runde mit de Maizière nicht erörtert werden, hieß es weiter. Hier liefen die Verhandlungen auf der Fachebene. Das Gesetz über das Bundeskriminalamt werde noch vor der Sommerpause ins Kabinett kommen, hieß es aus der Regierung.
Zypries will sich jedoch bereits am Rande eines EU-Russland- Treffens in Moskau Anfang kommender Woche mit Schäuble zusammensetzen, um die jüngsten Irritationen auch in diesen Punkten anzusprechen.
SPD-Politiker verstärkten unterdessen ihre Kritik an Schäuble, weil dieser die Geltung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung bei der Terrorabwehr in Frage gestellt hatte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter sagte: »Ein Minister, der Hysterie verbreitet, wird selbst zum Sicherheitsrisiko.« Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), bezweifelt den Sicherheitsgewinn neuer Anti-Terror-Maßnahmen. »Schäuble hat die zentrale Frage nicht beantwortet, wie effektiv seine Maßnahmen sind.«
Der FDP-Innenexperte Max Stadler meinte, von Schäubles Denkmuster führe eine direkte Linie zu alten Forderungen wie der Sicherungshaft und auch zu amerikanischen Terrorabwehr-Methoden, die im US-Gefangenenlager Guantánamo gipfelten.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verteidigte hingegen Schäuble und meinte, auch in Deutschland müsse Sicherheit kontinuierlich erarbeitet werden. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach bekräftigte die Aussage Schäubles zur Unschuldsvermutung: Die Unschuldsvermutung gelte bei Strafprozessen, »etwas völlig anderes ist es doch, wenn es um die Gefahrenabwehr geht, wenn ein Verbrechen nach dem Stand der Erkenntnisse unmittelbar bevorsteht«, sagte Bosbach.

Artikel vom 20.04.2007