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Drama um Schieder Möbel: Gericht gewährt Aufschub

Gutachter benannt - Insolvenz in der Schwebe - 30 Firmen betroffen

Von Edgar Fels
Schieder-Schwalenberg (WB). Das Schicksal des von der Pleite bedrohten Möbelherstellers Schieder hängt am seidenen Faden. Gestern Abend erhielt der Konzern, der 11000 Mitarbeiter beschäftigt, vom Amtsgericht Detmold weiteren Aufschub, um die Finanzierungslücke von etwa 70 Millionen Euro doch noch zu schließen.
Reinhard Seiler (IG Metall), Hans-Dieter Matzke und Wim Schouwenaars (Betriebsrat Schieder, v.l.), demonstrierten mit 300 Beschäftigten in Detmold vor der Deutschen Bank. Rechts: Schieder-Geschäftsführer Dirk Schmidtmeier. Fotos: Ingo Schmitz

Der Detmolder Insolvenzrichter Klaus-Peter Busch setzte nach einem zweistündigen Gespräch mit Management, Kreditgebern und Arbeitnehmervertretern den auf Insolvenzrecht spezialisierten Hamburger Rechtsanwalt Dr. Sven-Holger Undritz als Sachverständigen ein. Er soll heute seine Arbeit aufnehmen, sagte Gerichtssprecher Hanno Gerhardt. Über die vorläufig beantragte Insolvenz von Europas größtem Möbelproduzenten ist damit nach wie vor nicht endgültig entschieden.
Zuvor waren Verhandlungen zwischen Banken und Finanzinvestoren auf der einen Seite und der Geschäftsführung der Schieder-Holding, die sich über zwei Tage hinzogen, gescheitert. Grund sei die Haltung der Deutschen Bank gewesen, sagten Arbeitnehmervertreter.
Die Deutsche Bank hätte als einziger Geldgeber eine Unterschrift unter das Finanzierungskonzept verweigert und damit die Rettung blockiert - angeblich, weil das größte deutsche Bankhaus in der Reihe der Investoren hinter den Konkurrenten Goldman Sachs, einem Finanzdienstleister vor allem für Konzerne, ins zweite Glied zurücktreten sollte.
So sieht es jedenfalls der Geschäftsführer der Schieder Möbelwerke, Dirk Schmidtmeier (43). »Das ist reine Eitelkeit«, schimpfte er gestern. Die Deutsche Bank ließ über eine Sprecherin mitteilen, sie habe bereits am Montag einen »Vorschlag im Interesse des Unternehmens« unterbreitet. Nähere Angaben machte sie nicht.
Aus Protest zogen am Nachmittag mehr als 300 Beschäftigte aus den Werken Schieder und Steinheim vor die Filiale der Deutschen Bank Detmold. Dort machten sie lautstark ihrem Ärger Luft. »Wir erwarten, dass die Gelder freigeben werden, um eine Lösung ohne Insolvenz hinzubekommen«, rief Reinhard Seiler, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Detmold.
Betriebsratsvorsitzender Hans-Dieter Matzke (55) hofft nun, dass der öffentliche Druck auf die Deutsche Bank wächst und sie im Drama um den Erhalt der Firmengruppe doch noch dem Finanzierungskonzept zustimmt. Von den 70 Millionen Euro, deren schnelle Auszahlung für Schieder überlebenswichtig seien, entfielen sechs Millionen auf die Deutsche Bank, sagte Matzke. Alle anderen Investoren, darunter neben Goldman Sachs die Cukierman Rasenberger Toschek AG seien bereit, das Geld schon heute zu überweisen.
Ein Insider betonte, Schieder sei im Kern ein profitables Unternehmen, trotz der Schulden von knapp 300 Millionen Euro. Dem Gericht liegen Insolvenzanträge für die Holding und für etwa 30 Tochtergesellschaften vor. Schieder produziert an 41 Standorten. Die Gruppe hat Kunden in 60 Ländern und fertigt in Polen unter anderem Möbel für Ikea.
Matzke zufolge ruht die Produktion in Schieder und Steinheim weiter. Die Fertigung könne erst dann wieder aufgenommen werden, wenn Geld für Materialbeschaffung bereitstehe. Wirtschaft

Artikel vom 18.04.2007